Chicago im Sommer 1931. Lokaltermin in der sechsten Etage des noblen Lexington Hotels. In der Eingangshalle laufen die geladenen Journalisten über eine ins Eichenparkett eingearbeitete Krone mit den Initialen AC. Im Salon antike Auslegeware aus Persien, an der Decke kunstvolle Stuckornamente. Hinter einem riesigen Schreibtisch aus Mahagoni thront Unterweltboss Alphonse Capone, mit einer dicken Zigarre zwischen den Zähnen. Er hat das ganze Stockwerk gemietet. Al Capone hat die Presse eingeladen, um Stellung zu nehmen zu dem Vorwurf der Steuerhinterziehung, den ein Gericht gegen ihn erhoben hat. Capone weiß, dass der Vorwurf berechtigt ist. Sein mit Alkoholschmuggel, Nachtclubs, Wettbüros und Bordellen verdientes Geld verteilt er lieber - am Finanzamt vorbei - direkt an die Polizei. Auf rund 30 Millionen Dollar jährlich schätzt er selbst die Bestechungsgelder.Al Capone leugnet sein Vergehen, das er für harmlos hält, nicht. Schließlich ist er nicht wegen Mordes angeklagt - obwohl zur Zeit der großen Bandenkriege, die er mit initiiert hat, rund 200 Gangster getötet werden. Alleine beim berühmt gewordenen "St. Valentine's Day Massacre" am 14. Februar 1929 hatte Capone sieben Männer umbringen lassen. Für sein Steuervergehen rechnet er sich zwei oder drei Jahre Gefängnis aus; dieses Strafmaß, so glaubt er, hätten seine Anwälte längst mit der Justiz für ihn ausgehandelt. Den Pressevertretern verkündet er, danach als ehrbarer Mann leben zu wollen. Am 6. Oktober 1931 begleitet ein Konvoi der Kriminalpolizei Capone über die fünf Kilometer lange Strecke vom Lexington Hotel zum Gerichtssaal. An jeder Ecke hält der jeweils erste Wagen, um zu kontrollieren, ob in den Seitenstraßen Freunde oder Feinde des Gangsters lauern. Erst als Al Capone auf der Anklagebank Platz genommen hat, dürfen Besucher den Gerichtssaal betreten.
Im Amerika des Alkoholverbots steigen vor Prozessbeginn die Preise für illegalen Whisky. Offenbar will Al Capone damit seine Anwälte finanzieren. Es nützt ihm nichts. Der Vorsitzende Richter tauscht vor der ersten Verhandlung die bestochenen Geschworenen aus. Er ist offenbar gewillt, sich dem Verbrechen in seiner Stadt todesmutig entgegenzustellen. Am 24. Oktober 1931 wird Al Capone wegen Steuerhinterziehung zu elf Jahren Haft, Geldstrafen und Verfahrenskosten von 80.000 Dollar verurteilt. Sein Siegeslächeln gefriert während der Urteilsverkündung. Seine Karriere ist beendet.
Stand: 24.10.06