Ein weißer Wal im Rhein! Die Meldung klingt so unsinnig, dass sie zunächst keiner glauben will: weder die Wasserschutzpolizei, noch der zoologische Experte und auch nicht die Journalisten. Zugleich ist der Funkspruch zweier Binnenschiffer vom 18. Mai 1966 so sensationell, dass sie doch alle zur angegebenen Stelle bei Duisburg aufbrechen: Ein Polizeiboot bringt sowohl den Duisburger Zoodirektor Wolfgang Gewalt als auch einige Journalisten zum Ort der Sensation.
Tatsächlich schwimmt ein etwa vier Meter langer und rund 35 Zentner schwerer Beluga-Wal mitten im Strom. Eigentlich gehört er in den Nordatlantik. Zoodirektor Gewalt fürchtet deshalb, das Tier könne im warmen Süßwasser nicht lange überleben und versucht, es zu fangen. Aber alle angewandten Methoden bleiben erfolglos: "Moby Dick", wie er bald genannt wird, entgeht den eingesetzten Netzen, einer Betäubungspistole und auch den Künsten eines Landesmeisters im Bogenschießen, der dem Wal eine Boje anschießen soll.
Während der Wal im Rhein auf und ab schwimmt, wird er zum Politikum: Er sprengt eine Pressekonferenz im Bonner Bundeshaus, weil alle Anwesenden hinausstürzen, um sich Moby Dicks Besuch der Hauptstadt anzusehen. SPD-Landeschef Heinz Kühn fordert in Düsseldorf, der Wal müsse per Schiff in die Nordsee zurück gebracht werden. Aber die Stimmung kippt: Die Bild-Zeitung titelt: "Verhaftet Dr. Gewalt!" Tierschützer werfen von einem gemieteten Luftschiff Orangen ab, um die Jagd zu stören. Und in den Niederlanden spricht man von "barbarischen deutschen Methoden."
Die Niederländer wollen es nämlich besser machen und versuchen den Wal ins Meer zurück zu geleiten, als er wieder Richtung Rheinmündung schwimmt. Aber "Willy", wie er in Holland heißt, verpasst die richtige Ausfahrt bei Nijmwegen und landet im eingedeichten Ijsselmeer. Die eigens für ihn geöffneten Schleusen findet er auch nicht und wandert statt dessen noch einmal zurück nach Deutschland. Weil ihn aber auch diesmal Dr. Gewalt nicht in seine Gewalt bekommt, dreht er wieder um und findet am 16. Juni tatsächlich die Nordsee, wo sich seine Spur verliert.
Stand: 18.05.06