Ein Parteitag im Chaos: Es wird gebrüllt, gestampft und getrampelt. Die Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ) berät am 13. September 1986 in Innsbruck über die Besetzung ihres Spitzenamtes. Zur Wahl stehen der bisherige Parteivorsitzende und Vizekanzler Norbert Steger sowie der Kärntner Jung-Star Jörg Haider. In der turbulenten Diskussion warnt Wilfried Gretler, früherer FPÖ-Präsidentschaftskandidat und Österreichs Ex-Botschafter in Bonn: Wenn Jörg Haider zum FPÖ-Vorsitzenden gewählt werde, müsse man damit rechnen, dass ihn die Medien als "Stiefsohn Adolf Hitlers" darstellten. Doch der Parteitag lässt sich nicht beirren: 57,7 Prozent der Delegierten stimmen für Haider. Damit entreißt der 36 Jahre alte Jurist dem gemäßigten Steger den Vorsitz. Darüber zerbricht die sozialliberale Koalition in Wien. Denn mit Haider, das haben die Sozialdemokraten angekündigt, sei kein Bündnis möglich. "Das Weltbild von Haider lässt sich als rechtsextrem beschreiben. Das heißt: im Kern rassistisch, nationalistisch, antisemitisch und autoritär", sagt der Wiener Politikwissenschaftler Heribert Schiedel.
Das Weltbild von Haider hat seine Konturen in der ländlichen Idylle von Kärnten gewonnen. "Am Kärntner Wesen könnte auch diese Republik genesen", ist sich Haider sicher. Seine Eltern waren überzeugte Nationalsozialisten. Die Kärntner FPÖ gilt als Bollwerk des deutschnationalen Milieus. Haider-Biografin Christa Zöchling sieht in der Entwicklung des ehemaligen Universitätsassistenten einen roten Faden: "Diese Charaktereigenschaft, immer und überall der erste zu sein, der beste zu sein, mehr geliebt und gefürchtet zu werden als andere." Furcht verbreitet Haider zuerst bei den großen Parteien. SPÖ und ÖVP erleben, wie sich unter ihm die etablierten Machtverhältnisse auflösen. Bei den Kärntner Landtagswahlen 1989 verdoppelt Haider den Stimmenanteil der FPÖ auf 29 Prozent. Geduldet von der konservativen ÖVP wird er Landeshauptmann (Ministerpräsident). Während einer Debatte lobt er die Arbeitsmarktpolitik der Nationalsozialisten. Das führt zu seiner Abwahl, doch die FPÖ lässt den Rechtspopulisten nicht fallen.
Haiders Ziel bleibt die Macht in Wien. In den 90er Jahren trimmt er seine Partei auf einen radikalen Oppositionskurs - gegen Vetternwirtschaft, gegen Europa und das gesamte politische Establishment. Gleichzeitig schürt Haider Ressentiments gegen Ausländer: "Wir haben die Türkenkriege nicht gemacht, dass hier unter anderen Vorzeichen die Dinge wieder verändert werden." 1999 führt er den Wahlkampf zum Nationalrat mit dem Slogan "Österreich zuerst". Die Saat geht auf: Die FPÖ wird zweitstärkste politische Kraft und bildet zusammen mit der ÖVP Österreichs Regierung. Haider verzichtet auf ein Ministeramt und legt den Parteivorsitz nieder, um als starker Mann im Hintergrund zu agieren. Doch durch interne Intrigen geschwächt, verlieren die Freiheitlichen ihre Wähler. Nur in Kärnten gelingt noch einmal ein Erfolg. 2002 wird die FPÖ stärkste Partei und Haider wieder Landeshauptmann. Im April 2005 kommt es zur Spaltung: Haider verlässt die Partei und gründet das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ).
Stand: 13.09.06