Als der britische Forscher David Livingstone in Afrika vermisst wird, schickt der Direktor des New Yorker Herald seinen besten Reporter hinterher: Henry Morton Stanley. Der 30-Jährige scheint für die Strapazen einer Expedition bestens geeignet. Sein bisheriges Leben ist von Entbehrungen gekennzeichnet: In ärmlichen Verhältnissen wird er als John Rowlands am 28. Januar 1841 in Wales geboren und wächst im Waisenhaus auf. Mit 17 Jahren landet er als Schiffsjunge in New Orleans und wird von einem Kaufmann adoptiert, dessen Namen er fortan trägt. Er kämpft im Sezessionskrieg auf der Seite der Südstaaten, arbeitet als Reporter in den Indianerkriegen und ist als Sonderkorrespondent in Russland, Spanien, Palästina und Indien unterwegs.Stanley nimmt den Auftrag seines Verlegers an, fährt nach Sansibar und versucht, die Route nachzureisen, die Livingstone fünf Jahre vorher beschrieben hat. Die Suche hat nach 235 Tagen Erfolg. Stanley spürt den bald 60-jährigen Livingstone am 10. November 1871 in Udjidji am Tanganjikasee auf. Nach ihrem Zusammentreffen ziehen die beiden vier Monate gemeinsam durch Afrika. Dann kehrt Stanley nach Europa zurück und schreibt sein erstes Buch mit dem Titel "Wie ich Livingstone fand". Es zählt noch heute zu den klassischen Reportagen der Weltliteratur.Als Livingstone stirbt, bleibt ein Rätsel ungelöst: Ist der Lualaba-Fluss in Zentralafrika tatsächlich die Quelle des Nils, wie der Forscher vermutet? Stanley will Gewissheit: "Es war meine Pflicht, ihn bis zum Meer zu verfolgen, mochte sich mir entgegenstellen, was da wollte." Er begibt sich mit 700 Trägern und Sklaven in den Regenwald und verfolgt den 4.320 Kilometer langen Flusslauf. Erbarmungslos treibt Stanley den Tross an. Viele sterben an Hunger, Pocken und Wundfieber. Die Ureinwohner wehren sich mit Giftpfeilen gegen die Eindringlinge. Stanley übermannt deswegen "wilder Hass gegen die scheußlichen menschlichen Aasgeier, die dieses Land bewohnen". Rücksichtslos lässt er die Schwarzen erschießen, ihre Tempel verwüsten und ihre Hütten abbrennen.
Schließlich erreicht er am 12. August 1877 den Atlantischen Ozean. Damit steht fest: Der Lualaba ist nicht die Quelle des Nils, sondern des Kongos. Im Auftrag des belgischen Königs Leopold kolonisiert Stanley das Gebiet, das bald Belgisch-Kongo heißt. Beim Bau von Straßen und Eisenbahnlinien durchs Gebirge greift er selbst zu Hammer und Meißel, was ihm dem Beinamen "Felsenzertrümmerer" einbringt. Fünf Jahre vor seinem Tod wird Stanley für seine Verdienste geadelt. Er stirbt am 10. Mai 1904 im Alter von 63 Jahren in London und hinterlässt neun Reisebücher.
Stand: 10.05.04