Stichtag

27. Oktober 2006 - Vor 200 Jahren: Napoleon zieht in Berlin ein

Ein wenig wirkt es wie ein Karnevalsumzug, was sich am 27. Oktober 1806 in Berlin abspielt. "Einen grandiosen Effekt" habe die ganze Parade gemacht, wird der Augenzeuge Karl Friedrich von Klöden später vermerken. "Vor jedem Regimente der Tambourmajor. Stets ein großer Mann mit seinem umflochtenen und mit einem dicken Silberknopf versehenen Stabe, der dann und wann in die Luft geschleudert und gewandt aufgefangen wurde. Dann ein zahlreiches Musikcorps, dann die Soldaten in weißen Gamaschen, in tänzelnden, kurz gehaltenen Schritten, viele noch von der Schlacht her mit verbundenen Köpfen, Armen und Beinen." Denn es sind keine Festtagsgarden, die da durchs Brandenburger Tor marschieren. Es sind die Truppen Napoleons, die einen vernichtenden Sieg über die Preußen errungen haben. Der Feldherr reitet seinem Trupp in Generalsuniform voran.Der Erfolg des kleinen Franzosen hat König Friedrich Wilhelm III. vollkommen überrascht. Gänzlich naiv hatte der siegessichere Herrscher Napoleon nach dessen Besetzung von Ansbach und Bayreuth ein Ultimatum gesetzt - und ihm so einen Grund für den Angriff gegeben. Ganze fünf Tage braucht Napoleon bei Jena und Auerstedt, um mit moderner Kriegsführung das Ende des legendären, militärisch aber veraltet kämpfenden Preußens einzuläuten. Friedrich Wilhelm III. flieht mit Gattin und Hofstaat nach Memel. "Unser Dämel ist in Memel", schallt es über die Berliner Boulevards. Friedrich Engels wird den unglücklichen König "einen der größten Holzköpfe" nennen, die je einen Thron bestiegen hätten.

In Berlin geht alles schon bald wieder seinen gewohnten Gang. Man arrangiert sich mit den Besatzern, wie ein französischer Militärarzt verwundert feststellt: "Der König ist mit der erschreckten Armee geflohen und trotzdem: das Theater gesteckt voll. Und niemand schien an das Vaterland zu denken oder sich wegen der Zukunft Sorgen zu machen. Man applaudierte, als Iphigenie sang, und hauptsächlich beklatschte man das Ballett, das reizend war." Nur einen Pferdediebstahl will man Napoleon nicht verzeihen: Der Feldherr hat die Siegesgöttin mitsamt ihres Gespanns vom Brandenburger Tor abtransportieren lassen. 1814 kommt sie nach Berlin zurück. Da ist der "Pferdedieb" Napoleon längst entmachtet.

Stand: 27.10.06