Im November 2000 kommt die Rinderseuche BSE nach Deutschland. Erstmals wird sie an zwei im Land geborenen Rindern nachgewiesen. Die Anzeichen mehren sich, dass auch BSE-verseuchtes Tiermehl an deutsche Kühe verfüttert wurde. Die Verbraucher sind verunsichert, Rindfleisch liegt wie Blei in den Regalen der Supermärkte. Auf der anderen Seite können sich Bioläden vor der gestiegenen Nachfrage kaum retten - auch wenn viele Kunden noch gar nicht recht begreifen, was sich hinter dem Kürzel "Bio" verbirgt.Der BSE-Skandal erschüttert auch die politische Landschaft. Unter der rot-grünen Regierung wird das Agrarministerium um das Ressort "Verbraucherschutz" aufgestockt. Die konservative Landschwirtschaftspolitik scheint ein Ende zu nehmen. Neue Verbraucherschutzministerin wird, zum Ärger der Bauern, ein Stadtkind: die Grüne Renate Künast. Anfängliche Lücken im Fachwissen macht sie durch gesunden Menschenverstand wieder wett. "In unsere Kühe kommen nur Wasser, Gras, Klee, vielleicht ein wenig Mais", sagt Künast. "So müssen Tiere bei uns gehalten werden und das muss gelten."
Zum Schutz des Kunden führt Künast das Bio-Siegel für geprüfte, möglichst natürlich erzeugte Produkte ein. Seine Richtlinien sind an den Vorgaben der etablierten EG-Öko-Verordnung orientiert. Kunstdünger und chemische Schädlingsbekämpfung sind verboten. Die Zahl der Tiere, die ökologisch erzeugtes Futter bekommen müssen, ist an die Größe des Betriebs gekoppelt. So soll gewährleistet sein, dass Rinder, Schweine und Hühner auch genügend Auslauf haben. Regelmäßige Kontrollen sowie Herkunftsnachweise gehören mit zur Auszeichnung. Am 5. September 2001 stellt Künast das sechseckige Bio-Siegel mit dem i-Häkchen der Öffentlichkeit vor: ein Erfolgsmodell, wie fünf Jahre später selbst Politiker aus dem gegnerischen Lager gestehen. "Ich erkenne es neidlos an", sagt etwa CSU-Staatssekretär Peter Paziorek, "das ist eine hervorragende Geschichte." Im Juni 2006 haben rund 1.700 Unternehmen die Nutzung des Bio-Siegels für knapp 33.000 Produkte angezeigt
Stand: 05.09.06