Über drei Jahre dauern die Vorbereitungen. Fünf Gewerkschaften sollen zur neuen "Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft" mit fast drei Millionen Mitgliedern verschmelzen: Die Einzelgewerkschaften HBV (Handel, Banken und Versicherungen), IG Medien, Postgewerkschaft, DAG (Deutsche Angestellten Gewerkschaft) und ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr). Der Kurzname des geplanten Kolosses lautet: Verdi.Die Vereinigung zur damals weltweit größten Gewerkschaft steht jedoch immer wieder auf der Kippe. Die beteiligten Partner streiten untereinander und miteinander über Statuten, Strukturen und Funktionärsposten. Deshalb appelliert Roland Issen von der DAG immer wieder an seine Mitglieder: "Verdi wird als Ganzes mehr sein als die Summe fünf einzelner Gewerkschaften. Durch die Zusammenführung der gewerkschaftlichen Kräfte wird die Durchsetzung gegenüber Wirtschaft und Politik außerordentlich intensiviert, so dass der größere Einfluss gleichzeitig mehr Nutzen für unsere Mitglieder bringen wird." Befürchtungen, die ÖTV könnte als größte Gewerkschaft die neue Institution dominieren, lassen sich durch die Verteilung der 13 Landesbezirke ausräumen. Kurt von Haaren, Vorsitzender der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) erklärt: "Es werden jeweils zwei Landesbezirke auf die DPG, die DAG, die HBV entfallen, einer auf die IG-Medien, die übrigen auf die ÖTV."
Nach tagelangen Debatten entscheiden sich alle Gewerkschaften mit den notwendigen Mehrheiten von 75 beziehungsweise 80 Prozent für den Zusammenschluss zu Verdi. Auf fünf gleichzeitig stattfindenden Kongressen in Berlin beschließen sie zunächst ihre Selbstauflösung, um am 19. März 2001 für die Neugründung von Verdi zu stimmen. Als erster Verdi-Vorsitzender wird der ehemalige ÖTV-Chef Frank Bsirske gewählt - der erste deutsche Gewerkschaftsvorsitzende mit einem Parteibuch der Grünen. Bsirske fordert von der neu gegründeten Gewerkschaft mehr Beweglichkeit: "Tarifpolitik soll den Menschen schließlich nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, sondern ihnen helfen, so zu leben, wie sie es gerne möchten." Verdi solle sich mit sozialen Bewegungen verbünden und sich selbst als soziale Bewegung verstehen. "Also, trauen wird uns: Raus aus den Gewerkschaftsghettos, rein ins Leben." Erster Gratulant vor über 1.000 Delegierten im Berliner Congress Centrum ist der damalige Bundespräsident Johannes Rau: "Verdi, das war keine leichte Geburt. Bei einem Kind dieser Größe war das auch gar nicht anders zu erwarten."Stand: 19.03.06