Als es am 25. Mai 1976 in der arktischen Laptev-See geboren wird, ist sein Schicksal schon besiegelt: Das Walrossjunge ist für den Zoo vorgesehen, wird eingefangen und über Moskau nach Hamburg in Hagenbecks Tierpark gebracht. Die Karriere des zunächst nur 60 Kilo leichten Babys namens Antje kommt jedoch überraschend in Fahrt: 1978 gerät sie eher zufällig in den Blick eines Kameramanns des Norddeutschen Rundfunks. Die NDR-Verantwortlichen entdecken die junge Dame und machen sie zum Maskottchen des Senders. Antje posiert künftig in Sendepausen vor einem Millionenpublikum. Die Fans decken den Sender mit Fragen zu Antje ein. Der Vermutung, Antje werde zeitweise gedoubelt, muss der NDR in einer Presseerklärung entgegen treten: Wegen des Fellwechsels sieht das Maskottchen im Winter braun aus, im Frühjahr blau und im Sommer grau.Das Leben des Stars bleibt vom Rummel weitgehend unberührt: Ihr Pfleger Heino Susott hält Stress von seinem Schützling fern. Er verbringt sogar die Silvesternacht mit Antje, um sie beim Lärm der Böller zu beruhigen. "Ich habe sie gekrault, wo sie gar nicht so hinkam", erzählt Susott: "Es gab da keine Tabuzonen." Sogar eine Fußbodenheizung hat Antjes Stall, weil Polartiere keine feuchte Luft vertragen.
So gepflegt wird Antje um Jahre älter als ihre Artgenossen in freier Wildbahn. Zwei Jahre lang darf sie ihren Ruhestand genießen, weil der NDR den Star ab 2001 durch eine gezeichnete Version von Janosch ersetzt. Antje stirbt im Juli 2003 an Altersschwäche. Auch nach ihrem Tod ist ihre Ausstrahlung ungebrochen. Klaus Zwonarz, Präparator des Zoologischen Museums Hamburg, bearbeitet Antje 13 Monate lang für die Ewigkeit. Er ist von der alten Dame beeindruckt: "Antje war eine Majestät. Sie guckt wie Kaiser Wilhelm."
Stand: 25.05.06