Im Mai 1996 startet Mercedes eine großangelegte Werbekampagne für die A-Klasse. Der Automobilkonzern glaubt, den besten und sichersten Kompaktwagen der Welt gebaut zu haben, der den Konkurrenten VW Golf und Opel Astra das Fürchten lehren soll. Doch der Traum endet bereits vier Tage nach dem Verkaufsstart: Nur sieben Sekunden dauert der Spurwechseltest des schwedischen Autotesters Robert Collin am 21. Oktober 1997 in Stockholm. Er fährt mit 60 Stundenkilometern auf ein Hindernis zu, lenkt abrupt nach links, dann nach rechts. In Schweden heißt das Kindertest, denn Kindern soll man jederzeit ausweichen können. Die A-Klasse kippt und überschlägt sich.
"Mercedes muss den Verkauf der A-Klasse sofort stoppen", fordert Collin, der stellvertretender Chefredakteur der Autozeitschrift "Teknikens Värld " ist. Das Auto sei nicht sicher. Der damalige Mercedes- Pkw -Vorstand Jürgen Hubbert bezeichnet Collins Kritik als hirnrissig. Denn für Mercedes steht viel steht auf dem Spiel. 1,3 Milliarden Euro hat die Entwicklung des Wagens gekostet. Doch bei kleinen Autos fehlt die Erfahrung. Zudem soll preisgünstig produziert werden: Statt einer moderner Hinterachse wird bei der A-Klasse eine Billiglösung montiert. Um teure Praxistests zu vermeiden, wird viel am Computer entwickelt. Der Baby-Benz der ersten Jahre fällt durch Kinderkrankheiten auf - von gerissenen Schläuchen bis zu gebrochenen Federn.
Weil die A-Klasse in Schweden, dem Land der Elche, umgekippt ist, erfindet ein deutscher Journalist die Bezeichnung Elchtest. Die Deutsche Automobilindustrie nimmt ihn im November 1997 in ihre Testreihe auf und nennt ihn VDA-Spurwechseltest. Auch Jürgen Schrempp, damals oberster Konzern-Chef bei Mercedes, zieht Konsequenzen: Für drei Monate stoppt er die Auslieferung der A-Klasse und lässt das Modell für 150 Millionen Euro überarbeiten. Das elektronische Stabilitätsprogramm ESP wird eingebaut, das Ausbrechen und Schleudern verhindern soll. Die verbesserte A-Klasse wird mit riesigem Aufwand beworben. Es dauert noch Jahre, bis diese Modellreihe profitabel ist. Inzwischen sind rund 1,6 Millionen Exemplare verkauft worden. In der Golf-Klasse gehört sie zu den fünf beliebtesten Autos.
Stand: 21.10.07