"Er ist jung, modern, strebsam und fanatisch", schreibt Joseph Goebbels 1938 in seinem Tagebuch über den Schauspieler und Regisseur Wolfgang Liebeneiner. Hitlers Propagandaminister macht ihn zum Leiter der Reichsfilmakademie Babelsberg und zum Produktionschef der Ufa. Der am 6. Oktober 1905 im schlesischen Liebau geborene Liebeneiner wird einer der einflussreichsten Filmemacher der Nazizeit. Wer einen Film machen will, kommt an ihm nicht vorbei. Neben Komödien mit Heinz Rühmann dreht Liebeneiner auch historische Epen voll nationalsozialistischer Ideologie. So wird in "Bismarck" (1940) der Reichskanzler als ein Führer dargestellt, der sich nicht um Parlamente und Demokratie schert. Ausgezeichnet wird das Werk von der Filmprüfstelle mit dem höchsten Prädikat: "staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll". 1941 wird Liebeneiners Euthanasie-Film "Ich klage an" uraufgeführt. Vordergründig geht es um eine Tötung auf Verlangen. Tatsächlich rechtfertigt der Film den Mord an Behinderten. Goebbels notiert: "Großartig gemacht und ganz nationalsozialistisch."
Nach dem Krieg wird Liebeneiner rasch entnazifiziert. Aussagen jüdischer Mitarbeiter entlasten ihn. Sie geben an, Liebeneiner habe ihnen still und diskret geholfen. Bereits 1947 inszeniert er an den Hamburger Kammerspielen Wolfgang Borcherts Kriegsheimkehrer-Drama "Draußen vor der Tür". Später dreht er davon die Filmversion "Liebe 47", die zwar ausgezeichnet wird, an den Kinokassen aber ein Flop ist. Doch Liebeneiner will den Erfolg. Seine Ziele formuliert er 1959 in einem Leserbrief an den "Spiegel": "Die Kunden gut zu bedienen und das Kapital gut zu verzinsen." Kein Stoff ist ihm zu seicht. Liebeneiner wird zum Garanten pflegeleichter Unterhaltung: "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" (1954), "Die Trapp-Familie" (1956), "Königin Luise" (1957). In den 60er Jahren wechselt er zum Fernsehen und produziert unter anderem den Vierteiler "Die Schatzinsel". Mit Harald Juhnke dreht er "Ein Mann für alle Fälle" (1979) und "Leute wie du und ich" (1980).
Liebeneiner ist ein Workaholic. Erst mit 78 Jahren, vier Jahre vor seinem Tod am 28. November 1987 in Wien, beendet er seine Karriere. Über die Widersprüche seines Lebens hat sich Liebeneiner kaum geäußert. Nur seiner Tochter Johanna, die selbst Schauspielerin und Regisseurin ist, hat er sich ein wenig geöffnet: "Er hat mal gesagt, dass seine Eltern ihn in den Kadettenchor geschickt haben mit knapp acht Jahren, das hat seine Seele zerstört." Er sei "ein Meister des Verdrängens" gewesen, sagt Johanna Liebeneiner: "Ein Chamäleon im Geiste wie im Leben. Und auch ein großer Widerspruch in sich."
Stand: 28.11.07