Bruno Balz muss um sein Leben bangen. 1941 ist der homosexuelle Liedertexter im nationalsozialistischen Deutschland eine Unperson. Kurz bevor er in Berlin von der Gestapo verhaftet wird, um ins KZ abgeschoben zu werden, bekommt er den Auftrag, eine deutsche Fassung für Beniamino Giglis Schlager "Mama" zu schreiben. "Mama / Du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen", dichtet Balz, "Mama / Einst wird das Schicksal wieder uns vereinen". Die Angst der Mutter um das Schicksal des Jungen, der vielleicht an der Front im Schützengraben liegt, schwingt in den Zeilen immer mit.Balz hat Glück. Sein Talent bewahrt ihn vor dem Lager, auch wenn er nicht mehr unter seinem Namen publizieren darf. Noch in Einzelhaft verfasst er die Texte "Davon geht die Welt nicht unter" und "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen". Beide Lieder wird Zarah Leander in dem Durchhaltefilm "Die große Liebe" (1942) singen.
1967 kommt der erfolgreiche Produzent Ronny in Balz' Landhaus und fragt nach einem Liedtext für einen noch unbekannten zwölfjährigen Jungen aus Holland namens Hein Simons. Balz geht zum Bauernschrank und zieht ein vergilbtes Notenblatt mit "Mama" aus der Schublade. Am 21. Dezember 1967 trägt der Knabe, der unter dem Pseudonym Heintje auftritt, das Lied in der ZDF-Sendung "Der goldene Schuss" vor einem Millionenpublikum erstmals vor. Mit der glockenhellen Kinderstimme von Heintje wird die traurige Ballade, ihres tragischen Kriegsinhalts entbunden, im Wirtschaftswunderdeutschland zum Megahit, Heintje selbst zum Kinderstar der Nachkriegsmütter.
1967 ist Homosexualität in Deutschland strafbar. Doch von Balz' Vergangenheit weiß glücklicherweise damals niemand. So kann Balz, zu dessen Werk auch die Gassenhauer "Wir wollen niemals auseinandergehen", "Das machen nur die Beine von Dolores" und "Kann denn Liebe Sünde sein?" gehören, seinen Erfolg noch genießen. Er stirbt 1988 in Bad Wiessee.
Stand: 21.12.07