Der 20. Januar 1942 ist ein strahlender Wintertag. An der SS-Villa in Wannsee, einem vornehmen Wohnviertel Berlins, fahren dunkle Limousinen vor. Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei, hat für zwölf Uhr 14 Teilnehmer zu einer "Besprechung mit anschließendem Frühstück" eingeladen. Dazu gehören Spitzenbeamte verschiedener Ministerien sowie SS- und Parteiführer. Das Thema des geheimen Treffens: die Juden. Zu Beginn teilt SS-Obergruppenführer Heydrich mit, Reichsmarschall Hermann Göring habe den Auftrag zur "Lösung der Judenfrage" von 1939 erweitert. Es gehe nun nicht mehr darum, "auf legale Weise den deutschen Lebensraum von Juden zu säubern" - etwa durch forcierte Auswanderung. Diese Maßnahme sei lediglich "angesichts des Fehlens anderer Lösungsmöglichkeiten vorerst in Kauf genommen" worden. Ziel sei jetzt "die Endlösung der Judenfrage". Der Plan, mit dessen Ausarbeitung er beauftragt sei, betreffe elf Millionen Juden in ganz Europa.
Der 37-jährige Heydrich listet dabei auch Länder auf, die von den Deutschen nicht besetzt sind wie beispielsweise Großbritannien und die Schweiz. Die Juden sollen in Ghettos und Konzentrationslager im Osten deportiert werden und dort durch "natürliche Verminderung" infolge von Zwangsarbeit vernichtet werden. "Der allfällige verbleibende Rest" werde "entsprechend behandelt werden müssen."
Kein Widerspruch gegen Heydrichs Mordplan
"Hier war nicht nur eine freudige Zustimmung allseits festzustellen", erinnert sich später der Protokollant und SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann. Darüber hinaus habe es ein "sich Übertrumpfendes und Überbietendes im Hinblick auf die Forderung zur Endlösung der Judenfrage" gegeben. Bei seinem Prozess 1961 in Israel stellt sich Eichmann, der Organisator der Deportationen, als kleiner Befehlsempfänger dar: "Hier auf der Wannsee-Konferenz sprachen nun die Prominenz des damaligen Reiches, es befahlen die Päpste. Ich hatte zu gehorchen."
Widerspruch gegen Heydrichs gigantischen Mordplan gibt es nicht. Zu Diskussionen kommt es nur über die so genannten Mischlingsjuden und jene Juden, die mit so genannten Ariern verheiratet sind. Man überlegt, ob man sie auch umbringen solle oder eine Sterilisation ausreiche. Es wird offen über verschiedene Tötungsmethoden gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits Hunderttausende Juden ermordet worden, vor allem durch Massenerschießungen von so genannten Einsatzgruppen. Nach Eichmanns späterer Aussage wissen alle Teilnehmer darüber Bescheid.
Eine Protokoll-Abschrift bleibt erhalten
Nach dem Ende der eineinhalb-stündigen Unterredung speisen die Konferenzteilnehmer zusammen. Heydrich, Eichmann und Gestapo-Chef Heinrich Müller trinken am Kamin Cognac. Anschließend brechen die Schreibtischtäter auf, um bis 1945 die Ermordung von rund sechs Millionen Juden bürokratisch abzuwickeln.
Vor Kriegsende werden wichtige Unterlagen zur so genannten "Endlösung der Judenfrage" systematisch vernichtet. So auch die meisten Abschriften des Protokolls der Wannsee-Konferenz: 29 Abschriften verschwinden, eine bleibt erhalten - weil ihr Besitzer inzwischen in Ungnade gefallen ist, im KZ sitzt und seine Kopie nicht mehr vernichten kann.
Stand: 20.01.2007