Einen großen Erfolg erwartet am 2. August 1939 im Berliner Tonstudio niemand: Nicht der Komponist Norbert Schultze, der einen Text des unglücklich verliebten Soldaten Hans Leip von 1915 vertont hat. Nicht der Arrangeur, der dem Lied einen Zapfenstreich und militärische Trommeln hinzufügt. Und auch nicht die junge Sängerin Lale Andersen, die mit 24 Jahren ihren Mann und drei Kinder in Bremerhaven sitzen gelassen hat, um in Berlin Karriere zu machen. Aber sie versuchen es einmal mit diesem kleinen Lied von der Sehnsucht nach "Lili Marleen".Vier Wochen später überfallen deutsche Truppen Polen. Das Lied aus dem Ersten Weltkrieg erhält einen neuen Weltkrieg als passenden Hintergrund. Trotzdem bleibt die Platte ein Ladenhüter, bis sie 1941 der deutsche Soldatensender in Belgrad entdeckt. Deutsche Soldaten vom Nordkap bis nach Afrika hören diesen Sender und reagieren plötzlich auf "Lili Marleen". Der wehmütige Schlager bringt keine Durchhaltepropaganda, sondern drückt Heimweh, Verlorenheit und Angst aus. Deshalb erhält die Sängerin bald säckeweise Fanpost aus den Schützengräben. Deshalb hasst Propagandaminister Goebbels das Lied, erst recht, als es die Front überspringt und in englischen und französischen Versionen ausgestrahlt wird. Als Lale Andersens Kontakte zu Schweizer Juden bekannt werden, lässt Goebbels das Lied verbieten. Prompt meldet die britische BBC, die Sängerin befinde sich in einem KZ. Zähneknirschend muss der Propagandaminister die Auftritte der Diva wieder zulassen, um die Feindpropaganda zu widerlegen.
Nach dem Krieg erhält der Komponist Schultze drei Jahre Berufsverbot, denn er hat auch "Führer befiel - wir folgen" vertont. Lale Andersen dagegen singt vor englischen Soldaten. "Lili Marleen" verfolgt die Sängerin auch über den Tod hinaus. Auf ihrer Beerdigung 1972 spielt es der Organist, obwohl sie das in ihrem Testament verboten hatte. Und seit deutsche Soldaten im Kosovo eingesetzt werden, grüßt sie der Bundeswehrsender "Radio Andernach" täglich mit "Lili Marleen".Stand: 02.08.04