Rund 600 Klettertouren liegen hinter ihm, als Heinrich Harrer eine neue Herausforderung angeht: Den Eiger im Berner Oberland. Noch ist jeder gescheitert, der versucht hat, die fast senkrechte Nordwand aus Fels und Eis zu bezwingen. Doch am 24. Juli 1938 gelingt Harrer mit drei weiteren Bergsteigern der Aufstieg zum Gipfel. Auf einen Schlag ist der Sport- und Geographielehrer aus dem österreichischen Graz berühmt. Adolf Hitler lädt die Helden vom Eiger zum Empfang. Denn Österreich zählt seit dem Einmarsch der Wehrmacht im März 1938 zum Deutschen Reich.
Geboren wird Heinrich Harrer am 6. Juli 1912 in Hüttenberg in Kärnten. Sein Vater ist Postbeamter, der bald nach Graz versetzt wird. Dort geht Heinrich zum Gymnasium und studiert. Im Sommer 1939 nimmt Harrer an einer Expedition zum indischen Nanga Parbat teil. Als der Zweite Weltkrieg beginnt, wird Harrer von den Briten, den Kolonialherren Indiens, verhaftet. Sie stecken ihn in ein Internierungslager. Harrer gelingt die Flucht über den Himalaya nach Tibet. Dort lernt er den elfjährigen Dalai Lama kennen. Harrer wird sein Lehrer, Berater und Freund. 1952 kehrt er nach Europa zurück und schreibt sein Buch "Sieben Jahre in Tibet - Mein Leben am Hof des Dalai Lama". Es wird ein Welterfolg und wird in 52 Sprachen übersetzt.
Als das Buch 1996 mit Brad Pitt verfilmt wird, nehmen Journalisten Harrers Leben unter die Lupe. Sie entdecken braune Flecken: Bereits im Oktober 1933 ist Harrer in die SA eingetreten, die in Österreich zu diesem Zeitpunkt noch verboten ist. Im Frühjahr 1938 ist er SS- und NSDAP -Mitglied geworden - also noch vor dem Durchstieg der Eigernordwand. Harrer hat bis dahin über seine Nazi-Vergangenheit geschwiegen. Nun behauptet er, nie aktives Mitglied der Nazi-Organisationen gewesen zu sein. Ebenso verschwiegen hat Harrer, dass SS-Chef Heinrich Himmler ihn persönlich für die Expedition zum Nanga Parbat ausgewählt hat. Eingeladen worden ist Harrer daraufhin von der Deutschen Himalaya-Stiftung, die 1936 von den Nazis ins Leben gerufen worden war. Die SS hatte den rassistischen Mythos aufgebaut, die Tibeter seien mit den Ariern verwandt und wie diese ein Herrenvolk. Expeditionen sollten diese abstruse Theorie wissenschaftlich belegen.Diese Enthüllungen trüben die lebenslange Freundschaft zwischen Harrer und dem Dalai Lama nicht. Mehrfach besucht das geistliche Oberhaupt der Tibeter den Alpinisten in dessen Geburtsort Hüttenberg. Harrer stirbt am 7. Januar 2006 im Alter von 93 Jahren in Friesach in Kärnten an Herzversagen.
Stand: 06.07.07