Elf Jahre lang führt er die deutschen Sozialdemokraten durch stürmische Zeiten. Doch bekannter als er selbst ist bis heute ein nach ihm benanntes Gebäude: das Erich-Ollenhauer-Haus in Bonn, bis zum Regierungsumzug nach Berlin die Bundesparteizentrale der SPD. Unter den parlamentarischen Protagonisten seiner Zeit gilt der 1901 geborene Maurer-Sohn als ausgesprochener Kaltblüter. Genossen, die ihn seit Jahrzehnten kennen, behaupten, dass Ollenhauer nie die Nerven verloren hat. Selbst der politische Gegner attestiert dem nach Kriegsende aus der Emigration Zurückgekehrten außergewöhnliche Fairness und Rechtschaffenheit sowie einen unermüdlichen Arbeitswillen.
Ollenhauers große Stunde schlägt am 27. September 1952 in Dortmund. Fünf Wochen zuvor ist sein engster Weggefährte Kurt Schumacher, erster Nachriegsvorsitzender der SPD, nach schwerer Krankheit gestorben. Ollenhauer gilt in jeder Beziehung als der loyale politische Testamentsverwalter Schumachers. Der Parteitag der Genossen in der Westfalenmetropole steht vor der Aufgabe, einen Nachfolger für den charismatischen, schwer kriegsversehrten Schumacher im Partei- und Fraktionsvorsitz zu wählen. In einer programmatischen Rede skizziert Ollenhauer seinen Kurs, mit dem er im kommenden Jahr den Wahlsieg über Bundeskanzler Konrad Adenauer erringen will. Innenpolitisch fordert er Planwirtschaft und Mitbestimmung, in der Außenpolitik klare Abgrenzung von Adenauers Zielen der Westintegration und Anerkennung der Teilung Deutschlands.
Kaum hat Ollenhauer seine Rede beendet, brandet stürmischer Beifall auf, springen die Delegierten von ihren Sitzen. Versammlungsleiter Fritz Henßler erklärt: "Ich glaube, in diesem Augenblick hat der Parteitag schon eine Entscheidung vorweggenommen." Nach kurzer Pause wählt das Plenum Ollenhauer mit der überwältigenden Mehrheit von 357 bei 363 gültigen Stimmen zum neuen SPD-Vorsitzenden. Mit dem Lied "Wann wir schreiten Seit an Seit" besiegeln die Delegierten die Kür des bei der Basis äußerst beliebten Genossen von altem Schrot und Korn. Obwohl Ollenhauer nicht nur die kommende, sondern auch die darauffolgenden Wahlen gegen Adenauer verliert, wird er bis zu seinem Tod am 14. Dezember 1963 immer wieder mit ähnlich hohen Ergebnissen in seinen Ämtern bestätigt. Als größtes Verdienst Ollenhauers - teils auch gegen seine eigenen Überzeugungen, gilt die organisatorische und programmatische Erneuerung der SPD, die 1959 im Godesberger Programm festgeschrieben wird.
Stand: 27.09.07