"Wir haben mit dem Vertrag, der auf dem Tisch liegt, heute die große Chance, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen für unsere Kinder und Enkel", sagt der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow am 8. Dezember 1987 in einer Ansprache im Weißen Haus in Washington. Wenige Minuten später unterzeichnet er gemeinsam mit US-Präsident Ronald Reagan den so genannten INF -Vertrag. Das Abkommen sieht vor, die in Europa stationierten nuklearen Mittelstreckenwaffen vollständig zu verschrotten. Deren Reichweite umfasst 500 bis 5.500 Kilometer. Damit verständigen sich die Supermächte zum ersten Mal in der Geschichte darauf, eine ganze Gattung von Atomwaffen zu vernichten. Ein Entwicklung, die noch wenige Jahre zuvor nicht absehbar war.
Seit Ende des Zweiten Weltkrieges herrscht zwischen Ost und West der Kalte Krieg. Die USA und die Sowjetunion bedrohen sich gegenseitig mit Atomwaffen. Die Logik dieser so genannten Abschreckung: Wer als erster schießt, ist als zweiter tot. Mal wird verhandelt, mal aufgerüstet. Mitte der 70er Jahre stationieren die Sowjets neue Mittelstreckenraketen "SS 20". Die Nato will nachrüsten. Im November 1979 verkündet das westliche Militärbündnis einen Doppelbeschluss: Einerseits sollen vor allem in der Bundesrepublik amerikanische "Pershing II"-Raketen aufgestellt werden. Andererseits werden Rüstungskontrollverhandlungen angeboten, die in einer so genannten Nulllösung enden sollen. Anfang der 80er Jahre kommt es zu Gesprächen auf neutralem Boden - mal in Genf, mal in Reykjavik. Doch die Verhandlungen scheitern. Im November 1983 werden im baden-württembergischen Mutlangen die ersten "Pershing II"-Raketen stationiert. Hunderttausende gehen auf die Straße. Die Friedensbewegung fordert "Petting statt Pershing ". Die Fronten scheinen unverrückbar.
Die entscheidende Veränderung bringt ein Machtwechsel im Kreml. Michail Gorbatschow wird Generalsekretär der KPdSU und will die Sowjetunion reformieren. Dafür braucht er einen freien Rücken. Er geht deshalb auf das alte Angebot des Westens ein und akzeptiert die Nulllösung. Nach der Unterzeichnung des INF-Vertrages werden ab 1988 fast 2.700 Mittelstreckenraketen verschrottet. Die USA zerstören 846, die Sowjetunion 1.846 Atomwaffen. Die letzte wird im Mai 1991 demontiert, zwei Jahre nach dem Fall der Mauer.
Stand: 08.12.07