Unter dem Bundesadler stehen sie aufgereiht: 13 Männer und eine Frau bilden am 16. August 2002 die Ehrenformation für den Pressetermin im Kanzleramt. Sie haben zusammen mit dem damaligen Volkswagen-Manager Peter Hartz eine tiefgreifende Reform des Arbeitsmarktes erarbeitet. Hartz als Kommissionschef überreicht Bundeskanzler Gerhard Schröder ( SPD ) das Resultat ihrer Beratungen: 343 Druckseiten, die in knapp sechs Monaten entstanden sind. Das Fazit: Es sei machbar, die Zahl der Arbeitslosen innerhalb von drei Jahren um zwei Millionen zu senken. Der Kanzler, der im Endspurt des Bundestagswahlkampfs steckt, lobt die Vorschläge: "Wir haben einen großen Wurf." Es handele sich "ohne Übertreibung" um den größten Reformansatz der Nachkriegsgeschichte.
Anlass für die Einsetzung der Hartz-Kommission ist ein Skandal bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg: Die Behörde hat jahrelang Statistiken geschönt, Anfang Februar 2002 kommt der Betrug ans Licht. Peter Hartz erhält den Auftrag, sowohl die Bundesanstalt als auch die gesamte Arbeitsmarktpolitik zu durchleuchten. Hartz versammelt Gewerkschafter, Arbeitgeber, Wirtschaftswissenschaftler, Politiker, Personalmanager und Unternehmensberater. Mitte Juli 2002 steht das Gerüst des Konzepts. Fortan geht es im Wesentlichen um unterschiedliche Vorstellungen beim Arbeitslosengeld. Leipzigs damaliger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Isolde Kunkel-Weber von der Gewerkschaft Verdi kämpfen darum, dass weder die Bezugsdauer noch die Höhe angetastet werden. Doch es kommt anders: Arbeitslosengeld soll künftig nur noch ein Jahr bezahlt werden, anschließend das so genannte Arbeitslosengeld II, das der Sozialhilfe entspricht.
So gut wie alles will die Kommission umkrempeln lassen: Aus den Arbeitsämtern sollen Job-Center, aus Arbeitslosen nun Kunden werden. Als "Ich-AG" sollen sich Arbeitslose mit Zuschüssen auch selbstständig machen können - etwa als Gebäudereiniger, Hauswart oder Tagesmutter. Die rot-grüne Bundesregierung bringt die Vorschläge der Hartz-Kommission als Gesetzentwürfe in den Bundestag ein. Im Bundesrat wird daran einiges verändert, weil dort die Opposition das Sagen hat. Bis zum 1. Januar 2005 treten schließlich die vier Gesetzes-Pakete Hartz I bis Hartz IV in Kraft. Peter Hartz ist mit diesem Ergebnis nicht zufrieden: "Nicht überall, wo Hartz draufsteht, ist auch Hartz drin." Manche Politiker hingegen ärgern sich darüber, dass die Gesetze noch immer nach ihm benannt werden. Anfang 2007 ist der ehemalige Manager zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er in die Schmiergeld- und Rotlichtaffäre bei Volkswagen verwickelt war. Seitdem gilt Peter Hartz als vorbestraft.
Stand: 16.08.07