Stichtag

31. Oktober 2007 - Vor 120 Jahren: General Chiang Kai-shek in China geboren

Kurz und bündig vermeldet die Tagesschau vom 5. April 1975 den Tod des Präsidenten von Taiwan. Schon damals weiß kaum noch jemand, dass Generalissimus Chiang Kai-shek  einst der mächtigste Führer Chinas war. Dass er das riesige Land militärisch geeint und, als Vertreter der Republik China, die Vereinten Nationen mitbegründet hat. Doch als er stirbt, besteht "sein" China nur noch aus einem kleinen Inselreich im ostchinesischen Meer. 26 Jahre lang hat Chiang Kai-shek auf den Tag gewartet, an dem er sein Exil auf Taiwan verlassen und die "Wiedereroberung" Rotchinas vollenden kann. Dass er die Vormachtstellung der ihm verhassten Kommunisten in Peking zu keiner Zeit erschüttern konnte, ist die größte Tragik im von Niederlagen geprägten Leben Chiang Kai-sheks.

Es ist das Leben eines Kämpfers, das der am 31. Oktober 1887 bei Shanghai geborene Sohn eines Salzhändlers führt. Chiang Kai-shek entscheidet sich früh für die Offizierslaufbahn. Als Militär und Politiker auf Seiten der revolutionären Demokraten um den Reformer Sun Yatsen  erwirbt er sich große Verdienste. Nach dessen Tod 1924 übernimmt Chiang Kai-shek die Führung der Revolutionspartei Kuomintang. Mit dem Sieg seiner Armee im chinesischen Bürgerkrieg kann er das zerrissene Riesenreich wieder einigen. Doch als Präsident der Republik China reibt sich Chiang in einem blutigen Krieg an zwei Fronten auf - gegen den Feind von außen, die Japaner, und gegen den Feind im Innern: Die von Chiang als noch gefährlicher eingeschätzten Kommunisten um Mao Zedong.

Nach der Kapitulation Japans im Jahr 1945 gelingt es Mao zunehmend, die Regierung Chiang Kai-sheks zu entmachten und in den Süden des Landes abzudrängen. 1949 bleibt dem Regierungschef nur noch die Flucht nach Taiwan. Ihm folgen etwa zwei Millionen Chinesen, Soldaten wie Zivilisten, und Teile des Regierungsschatzes. Während Mao in Peking die rote Volksrepublik China ausruft, gründet Chiang Kai-shek in Taiwans Hauptstadt Taipeh die nationale Republik China. Oberstes Staatsziel: Die Vertreibung der Kommunisten. Beide Systeme erweisen sich als dauerhaft stabil. Peking gelingt es nicht, den lästigen Nebenbuhler zur Räson zu bringen, und Chiang kann die Macht der maoistischen Revolutionäre zu keiner Zeit gefährden. Mit Beginn des Tauwetters zwischen der Volksrepublik China und den USA Anfang der 1970er Jahre verliert der greise Generalissimus seine Schlüsselrolle im Ost-West-Machtpoker, die ihm 1953 der Koreakrieg zugespielt hatte. 2007 schließlich zieht das moderne Taiwan einen Schlussstrich unter die Ära Chiang Kai-shek. Der 120. Geburtstag des Republikgründers ist erstmals kein Feiertag mehr.

Stand: 31.10.07