Stichtag

04. Juni 2007 - Vor 75 Jahren: Paul von Hindenburg löst Reichstag auf

Frühjahr 1932: Für die Verteidiger der Weimarer Republik gibt es nur eine Frage: Ist Adolf Hitlers Siegeszug noch zu stoppen? Reichskanzler Heinrich Brüning hatte es mit dem Verbot von SA und SS versucht - ohne Erfolg. Als die Nationalsozialisten Ende April 1932 auch bei den Landtagswahlen in Preußen stärkste Partei werden, platzt Reichspräsident Paul von Hindenburg der Kragen: "Die Regierung muss weg, weil sie zu unpopulär ist. Ich will endlich von den Parteien unabhängige Männer um mich haben." Die alte aristokratische Elite des Kaiserreiches soll das neue "Kabinett der Barone" stellen: Großgrundbesitzer, Unternehmer, Finanziers. Hitler soll sich einer rechten "Regierung der nationalen Konzentration" beteiligen. Durch Kompromisse, so die Hoffnung, würde sein Ruf als Heilsbringer rasch entzaubert.

Doch Hitler sitzt am längeren Hebel: Er hat die Massen hinter sich. Im Mai 1932 ist die NSDAP in allen Landtagen - bis auf den bayerischen - stärkste Partei. Hitlers Preis für die Duldung des neuen "Kabinetts der Barone" ist hoch. "Die Unterredung mit dem Reichspräsidenten ist gut verlaufen", notiert Joseph Goebbels, Propagandaleiter der NSDAP, am 30. Mai 1932 in sein Tagebuch. "Der Reichstag wird aufgelöst. Das ist das Allerwichtigste. (...) Wählen, wählen! Heran ans Volk." Ebenso wichtig ist für Goebbels die Weigerung der Nazis, untergeordnete Verantwortung zu übernehmen: "Entweder man hat die Macht oder man bleibt in der Opposition."Als neuer Reichskanzler wird Franz von Papen eingesetzt. Drei Tage später setzt Reichspräsident Hindenburg Hitlers Forderung nach Auflösung des Reichstages am 4. Juni 1932 um. In der offiziellen Begründung heißt es, der Reichstag entspreche nicht mehr "dem politischen Willen des deutschen Volkes". "Das war programmatisch eine Abkehr von der Demokratie", sagt Prof. Jost Dülffer von der Universität Köln. Nach der Zurücknahme des SA- und SS-Verbotes provozieren die Nazis regelmäßig Straßenschlachten mit Kommunisten, vor allem in Preußen. Die fast hundert Toten nimmt Papen zum Anlass durch den so genannten Preußenschlag die dortige Landesregierung abzusetzen.

Zu diesem Zeitpunkt sind es nur noch zehn Tage bis zu den Neuwahlen. Im Rundfunk sagt von Papen, "der Notbau von Weimar" werde dem deutschen Volk nicht gerecht. Er setzt auf autoritäre Strukturen. Seine deutschnationalen Gesinnungsgenossen erreichen bei der Wahl aber nur sechs Prozent der Stimmen. Die Nazis hingegen verdoppeln mit 37 Prozent ihre Mandate. Als Hindenburg Hitler weiter die Kanzlerschaft verweigert, wird der Reichstag im Sommer 1932 ein weiteres Mal aufgelöst. Erst im Januar 1933 ist Hitler am Ziel: Hindenburg ernennt ihn zum Reichskanzler.

Stand: 04.06.07