Stichtag

24. Februar 2007 - Vor 10 Jahren: Wehrmachts-Ausstellung in München eröffnet

Hunderte von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen demonstrieren auf dem Münchner Marienplatz. "Ehre für die Wehrmacht" steht auf ihren Transparenten. Gemeinsam mit Mitgliedern der Bundeswehr und Burschenschaftlern protestieren die Weltkriegsveteranen gegen die Wehrmachtsausstellung im Rathaus. Zur gleichen Zeit versammelt sich im Hofgarten die Spitze der Münchner CSU zur Kranzniederlegung am Grab des Unbekannten Soldaten - angeführt von Peter Gauweiler. Der damalige Landtagsabgeordnete prangert die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" als linkes Machwerk an, das Millionen Soldaten pauschal verurteile. Auch gegen den Stifter der Ausstellung, Jan Philipp Reemtsma, polemisiert Gauweiler: "Wenn er bewältigen will, dass sein Vermögen unter anderem dadurch kommt, dass die Firma Reemtsma der Hauptlieferant der Deutschen Wehrmacht gewesen ist, gibt es für ihn gute Gelegenheit, das zu tun." Einige Tage zuvor hat er dem Erben des Zigarettenkonzerns empfohlen, sich doch besser um die Opfer des Tabakrauchs zu kümmern. 

Es gehe nicht um eine pauschale Verunglimpfung aller Soldaten als Verbrecher, betont Oberbürgermeister Christian Uhde (SPD), als er die Ausstellung in München am 24. Februar 1997 eröffnet: "Sie nennt die Befehle, sie nennt die Verbrechen, sie nennt die Namen." Anhand von Lageberichten hoher Militärs, Tagebucheintragungen einfacher Soldaten und Hunderten von Fotos will die Ausstellung das Bild der angeblich sauberen Wehrmacht korrigieren. Denn was sich im Osten abgespielt habe, sei ein Ausrottungskrieg gegen Juden, Kriegsgefangene und Zivilbevölkerung gewesen, erklärt Reemtsma. Die Ausstellung ist zuvor bereits in 15 Städten gezeigt worden, das erste Mal 1995 in Hamburg. Doch in München eskaliert die Situation, als der "Bayernkurier" den Initiatoren vorwirft, sie führten "einen moralischen Feldzug gegen das deutsche Volk", und die CSU-Fraktion im Landtag sich fast geschlossen gegen die Ausstellung ausspricht. München wird zum Schauplatz der größten Demonstration von Rechtsradikalen seit Anfang der 70er Jahre. Die NPD fordert Gauweiler zur Mitgliedschaft auf. In anderen Städten kommt es danach ebenfalls zu größeren Demonstrationen gegen die Ausstellung, in Saarbrücken sogar zu einem Sprengstoffanschlag. Wenige Wochen nach den Ereignissen in München debattiert der Bundestag über die Wehrmachtsausstellung.

Mit diesen Reaktionen habe er nicht gerechnet, sagt Reemtsma rückblickend. Denn die Verbrechen der Wehrmacht und ihre "wirklich große Nähe" zur Judenvernichtung seien bereits vor Ausstellungbeginn bekannt gewesen. Der Streit wird weiter angeheizt, als der polnische Historiker Bogdan Musial den Vorwurf erhebt, Fotos seien falsch zugeordnet und "bewusst" mit falschen Begleittexten versehen worden: "Die ganze Konzeption ist falsch." Nach anhaltender Kritik von Fachwissenschaftlern lässt Reemtsma die Ausstellung im Herbst 1999 schließen und beauftragt mit der Begutachtung eine unabhängige Historikerkommission. Dieses beanstandet zwar einige Fehler und Flüchtigkeiten, nicht aber die ganze Konzeption. Die Ausstellung wird gründlich überarbeitet und im November 2001 unter dem Titel "Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 bis 1944" wiedereröffnet. Am wesentlichen Inhalt ändert sich im Vergleich zur ersten Ausstellung nichts: Die Wehrmacht als Organisation ist "an allen Verbrechen des Regimes beteiligt gewesen", bilanziert Reemtsma.

Stand: 24.02.07