Stichtag

01. Juni 2007 - Vor 80 Jahren: Der Hindenburgdamm nach Sylt wird eingeweiht

Welch ein historischer Tag für das kleine Nordfriesen-Eiland Sylt! Nahezu vollzählig sind die Insulaner am Bahnhof angetreten, um mit viel Tschingderassabum den greisen Reichspräsidenten und legendären "Held von Tannenberg" willkommen zu heißen. Paul von Hindenburg gibt sich die Ehre, als erster offizieller Fahrgast persönlich über den nach ihm benannten Eisenbahn-Damm nach Sylt zu reisen. Aber längst nicht alle jubeln dem großen Preußen zu. Nicht wenige Einheimische haben Angst, dass die neue, elf Kilometer lange Nabelschnur, die Sylt nun mit dem Festland verbindet, zu viele Fremde auf ihre Insel schwemmen wird.

Beschwerlich und zeitaufwendig war eine Sylt-Passage bis zu jenem Tag. Wegen des Gezeitenwechsels mussten Reisende oft stundenlange Wartezeiten hinnehmen, ehe das Fährschiff ablegen konnte. Spielte das Wetter mit, dauerte die Überfahrt dann gut sieben Stunden. Bei Sturm oder im Winter konnten daraus aber auch zwei oder gar drei Tage werden. So tauchten bereits 1856 erste Pläne auf, Sylt an der schmalsten Stelle des Wattenmeers mit der Küste zu verbinden. Erst über 50 Jahre später bewilligte der preußische Landtag zehn Millionen Reichsmark für den Bau des Damms. Weil kurz vor Beginn der Arbeiten der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden die Pläne zunächst wieder auf Eis gelegt.

Nach Kriegsende hatte sich die politische Landkarte entscheidend verändert. Sylt war zwar deutsch geblieben, doch der Fährhafen Hoyerschleuse in Nordschleswig gehörte nun zu Dänemark, was für Sylt-Reisende neue Unannehmlichkeiten wie Fahrten in vom Zoll verschlossenen Zügen durch Dänemark sowie Pass- und Visumzwang bedeutete. Diese Situation brachte aber politisch frischen Wind in den geplanten Dammbau, der 1923 endlich in Angriff genommen wurde. Obwohl zunächst eine Sturmflut vier Monate nach Baubeginn alles Erreichte wieder vernichtete, konnte schon ab 1925 eine Bahnverbindung für den weiteren Baubetrieb genutzt werden. Ende 1926 war der Damm mit einer Breite von elf und einer Höhe von siebeneinhalb Metern dann weitgehend fertiggestellt. Die Angst vieler alter Sylter vor den Fremden war unterdessen aber nicht geringer geworden. Der Morsumer Pastor Hans Johler, stets einer der engagiertesten Damm-Befürworter, überquerte deshalb als erster Inselbewohner demonstrativ zu Fuß den aufgeschütteten Steinwall Richtung Festland. Dort musste er dann bleiben, denn für seine fortschrittliche Tat jagten ihn seine Morsumer Schäfchen zum Teufel.

Stand: 01.06.07