Schwere Jungs sehen eigentlich anders aus. Doch der 14-jährige "Mehmet" blickt bereits auf eine beachtliche kriminelle Karriere zurück. 60 Straftaten werden dem jungen Türken aus der Trabantenstadt Neuperlach im Südosten Münchens angelastet; keine Lappalien, sondern Einbrüche, Körperverletzungen, Nötigungen und Diebstähle. Als der 1984 geborene "Mehmet", der aus Datenschutzgründen diesen Decknamen erhielt, schließlich einen Mitschüler krankenhausreif prügelt und ausraubt, ist das Maß voll. Gerade strafmündig geworden wird er im Oktober 1998 zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt. Einen Monat später greift das Münchener Ausländeramt hart durch: Der im Bundestagswahlkampf zum Prototyp des jugendlichen Gewalttäters gestempelten Türken wird ausgewiesen. Obwohl Vater und Mutter des Minderjährigen seit Jahrzehnten rechtmäßig in Deutschland leben, verfügt die Behörde seine sofortige Ausweisung. Die Eltern weigern sich, ihren Sohn zu begleiten und so sitzt "Mehmet" am 14. November 1998 allein in der Lufthansa-Maschine 3532 nach Istanbul.
In der Türkei, die er nur von Urlauben kennt, wird "Mehmet" wie ein Märtyrer empfangen. Istanbuls Oberbürgermeister begrüßt ihn am Flughafen; Fernsehsender bieten dem inzwischen zum Medienstar avancierten Problem-Kid Arbeit an. Doch "Mehmets" in der Öffentlichkeit zelebrierte Reue und Besserungsversprechen halten nicht lange an. Als er bei Verwandten angeblich beim Diebstahl eines Laptops erwischt wird, schlägt auch in der ungeliebten Heimat die öffentliche Meinung um. Eine türkische Zeitung bezeichnet den allem Anschein nach Unbelehrbaren als "Verbrechensmaschine". Vor bundesdeutschen Gerichten wird währenddessen heftig über die Rechtmäßigkeit von "Mehmets" Ausweisung gestritten. Im Juli 2002 schließlich erreicht den jungen Mann die sehnlichst erwartete Nachricht: Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Abschiebung für verfassungswidrig erklärt.
Bereits am 1. August landet "Mehmet" wieder auf dem Münchener Flughafen. "Ich habe mich wie ein Depp verhalten. Heute bin ich älter und reifer", erklärt er in Interviews und verspricht: "Gewalt ist nichts mehr für mich." "Mehmets" Resozialisierung scheint tatsächlich zu klappen. Der inzwischen Achtzehnjährige holt den Hauptschulabschluss nach und schafft einen Notenschnitt von 1,5. Aus dem einstigen Bürgerschreck wird in Münchens Lokalpresse ein "bayerischer Musterschüler". Einen Ausbildungsplatz findet "Mehmet" trotzdem nicht und so zieht er Weihnachten 2004 wieder bei seinen Eltern ein. Der Familienfrieden währt nur kurz. Schon einige Wochen später erstattet der 67-jährige Vater Anzeige gegen den Sohn: "Mehmet" soll seine Eltern verprügelt, erpresst und sogar mit dem Tod bedroht haben. Im Juni 2005 wird er deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Bevor der Richterspruch rechtskräftig wird, taucht der Jugendliche unter und setzt sich wieder in die Türkei ab. Ein Jahr später ergeht gegen ihn die endgültige Ausweisungsverfügung. Weil "Mehmet" auf alle Rechtsmittel verzichtet, wird er nie mehr nach Deutschland zurückkehren dürfen.
Stand: 14.11.08