Bis weit ins 19. Jahrhundert ist kariöse Mundfäule in Europa eine kaum zu bezwingende Geißel der Menschheit. Nach dem Essen reinigen sich nur die Wenigsten die Zähne, und wenn, dann nur mit aromatischen Zahnhölzern, deren Wirkung allenfalls kosmetisch ist. Erst die Zahnbürste aus Elfenbein mit Schweineborsten schafft da Besserung. Erfunden wird sie laut einer chinesischen Enzyklopädie bereits 1498 im Land des Lächelns. Das ist eine Revolution der Mundhygiene.
Allerdings setzt sich die Idee der Zahnbürste im Westen nur schleppend durch. Zwar bringen Kaufleute die Erfindung bereits im 17. Jahrhundert mit nach Europa. Doch ist das hygienische Borstenstück zunächst nur für die Reichen erschwinglich. Zudem warnen Mediziner Jahrhunderte lang vor den Gefahren. Vom groben Bürsten könnten die Zähne irreparablen Schaden nehmen, wird behauptet, abgefallene Borsten den Blinddarm lebensgefährlich entzünden. Erst im 20. Jahrhundert, als sich der Glauben in ihre wohltuende Wirkung allmählich durchsetzt, ist die Zahnbürste dank staatlicher Subventionierung in aller Munde: vor allem in dem der Kinder, denen die Regierung kostenlos Zahnbürsten zur Verfügung stellt. Der Grund ist militärisch: auch im wehrfähigen Alter sollen die potenziellen Soldaten noch kraftvoll zubeißen können.
Dank Nylon und Kunststoff können Zahnbürsten seit den fünfziger Jahren immer billiger hergestellt werden. Zu dieser Zeit macht der Amerikaner Dr. Best den Reinigungsartikel mit Hilfe der angeblich zahnfleischschonenden V-Borsten - und mit tatkräftiger Unterstützung des Tomaten-Drucktests in der Fernsehwerbung - populär. Inzwischen putzen Jung und Alt mit der Zahnbürste. Trotzdem ist Karies immer noch die teuerste Volkskrankheit überhaupt.
Stand: 26.06.08