Juni 1892, La Plata, Argentinien: Die Polizei steht vor einem Rätsel. Zwei Kinder sind ermordet worden, die Mutter beschuldigt den Nachbarn der Tat. Dieser wiederum bekundet seine Unschuld. Dann findet der Kriminalbeamte Juan Vucetich am Tatort einen blutigen Fingerabdruck. Der Mix aus Schleifen, Wirbel und Bögen gehört eindeutig der Mutter der Opfer. Das blutige Verbrechen in La Plata ist der erste Fall, der mit Hilfe der sogenannten Daktyloskopie, griechisch für "Fingerschau", gelöst werden kann.
Entwickelt wird die Daktyloskopie von dem tschechischen Universalgelehrten Johann Evangelista Purkinje, der 1787 in Libochovice geboren wird. Der Fachwelt wird er mit seinen Arbeiten zur Physiologie des Sehens sowie seinen Studien zum Tastsinn und zum Schwindel bekannt. Als erster klassifiziert der Freund Goethes und Übersetzer Schillers die verschiedenen menschlichen Fingerkuppen. Seine Ergebnisse werden am 22. Dezember 1823 publik. "Nach ungezählten Beobachtungen habe ich neun bedeutende Mustertypen auf den Endgliedern der Finger gefunden", heißt es darin. "Ich beschreibe sie im folgenden, auch wenn die Übergänge zwischen den Typen unscharf sind."Purkinjes Erkenntnisse dienen dem britischen Hautarzt und Erbforscher Francis Galton als Grundlage für eine weitaus spektakulärere Entdeckung: In seinem Buch "Fingerprints" weist er 1892 nach, dass jeder Mensch eine ganz individuelle Prägung der Fingerkuppen aufweist. Selbst bei eineiigen Zwillingen sind sie nicht identisch. Seinen unverwechselbaren Fingerabdruck behält der Mensch sein Leben lang.
Am Anfang nimmt die Polizei Purkinjes und Galtons Entdeckungen nicht ernst. Die Daktyloskopie gilt als harmlose wissenschaftliche Spielerei ohne praktische Anwendungsmöglichkeit. Die Lösung des Mordfalls von La Plata bleibt zunächst die Ausnahme. Zur Jahrhundertwende verstreuen die mit Pinseln bewaffneten Ermittler von Scotland Yard als erste Rußpulver am Tatort, um Fingerabdrücke aufzuspüren. Danach erobert seine Methode auch die Polizeistationen der Provinz.
Stand: 22.12.08