"Wir wollten die Männer nicht um ihre Möglichkeiten bringen, sie aber auf Normalmaß zurückstutzen", sagt Karin Junker. Sie ist Frauenpolitikerin und seit 1964 in der SPD. Damals ist die Unzufriedenheit unter den Genossinnen groß. Obwohl die Partei seit Jahrzehnten für mehr Gleichberechtigung in der Politik kämpft: Auf Initiative der Sozialdemokraten wird 1918 das Frauenwahlrecht eingeführt; die SPD-Abgeordnete Marie Juchacz spricht am 19. Februar 1919 als erste Frau im Reichstag. Doch in den 60er Jahren sitzen immer noch nur einzelne Frauen für die SPD im Bundestag. In der Partei wird der Gestaltungsspielraum der Frauen im Wesentlichen von den Männern bestimmt. Annemarie Renger etwa wird nicht zur Vorsitzenden der SPD-Frauen gewählt, sondern vom Vorstand benannt. "Man hat Funktionen praktisch wie Preziosen verdienten Genossinnen angedeihen lassen", erinnert sich Junker. Ende der 60er Jahre sei deshalb für die SPD-Frauen klar gewesen: "Das lassen wir uns nicht mehr bieten."
1972 gründen die Genossinnen die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen ( ASF ) und fordern eine Mindestvertretung in Partei und Parlament. 1979 werden sie mit einem Angebot von Willy Brandt unterstützt: Er kandidiert für das Europaparlament nur unter der Bedingung, dass 20 Prozent Frauen auf der SPD-Liste stehen. Das wirkt nur auf den ersten Blick fortschrittlich, denn im selben Jahr schreibt die neu entstandene Partei der Grünen eine Frauenquote von 50 Prozent in ihr Gründungsstatut. Das Angebot von SPD-Bundesgeschäftsführer Egon Bahr, eine 25-Prozent-Quote einzuführen, lehnen die Genossinnen ab. Sie wollen eine Absicherung beider Geschlechter wie in Norwegen: mindestens 40 Prozent sowohl für Frauen als auch für Männer.
Vorbehalte gegen "Quotenfrauen" bestimmen jahrelang die parteiinterne Diskussion. Werden nun lauter unqualifizierte Alibi-Frauen wichtige Posten blockieren? Beschädigt die Quote die Demokratie in der SPD? Schließlich kommt die Debatte zu einem Ende: Am 30. August 1988 spricht sich der Parteitag in Münster mit 362 gegen 54 Stimmen für die 40-Prozent-Quote aus. Daraufhin ziehen immer mehr Sozialdemokratinnen ins Parlament ein. Von 2002 bis 2005 halten sie so viele Bundestagsmandate wie noch nie, fast 38 Prozent. Die CDU-Frauen kommen in diesem Zeitraum nur auf einen Viertel. Die Quotenregelung der SPD ist zunächst bis 2013 befristet. Auf dem SPD-Parteitag 2004 in Berlin erreicht Karin Junker, dass die Festlegung entfristet wird: "Die Quote gilt bis auf weiteres für immer. Es gibt keine Einschränkungen mehr."
Stand: 30.08.08