Stichtag

05. Januar 2008 - Vor 100 Jahren: Todestag des Mediziners Josef von Mering

Schlafen, ausruhen, vergessen - kein Medikament in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts löst seine Werbeversprechen so zuverlässig ein wie das "freundliche Schlafmittel" Veronal. Als "Revolution auf dem Arzneimittelmarkt" bezeichnet der Pharmakologe Gerd Glaeske das weiße Pulver, mit dem seine Erfinder Josef von Mering und Emil Fischer ab 1903 die Welt erobern. Fünfzig Jahre lang gilt Veronal als Inbegriff von scheinbar problemloser Erholung und beschert seinen Produzenten Merck und Bayer kaum enden wollende Rekordgewinne. In der Fachwelt ist der 54-jährige Miterfinder von Mering 1903 kein Unbekannter, seit ihm 14 Jahre zuvor per Zufall ein bahnbrechender Erfolg in der Erforschung der Zuckerkrankheit gelungen ist.

Der 1849 in Köln geborene Josef Mering - den Titel eines Freiherrn erhält er erst später - verbringt schon im Medizinstudium mehr Zeit im Labor als im Krankenzimmer. Nach seinem Examen tanzt der beliebte, schlanke Arzt mit dem markanten Vollbart auf vielen Hochzeiten. Arbeitet beim Lustforscher Richard von Krafft-Ebing, habilitiert sich in Innerer Medizin, baut eine HNO -Klinik auf und betätigt sich als Gerichtsarzt. In Straßburg entfernt Mering 1889 zusammen mit Oskar Mintovski einem Hund die Bauchspeicheldrüse, um die Folgeerscheinungen zu studieren. Zunächst findet sich nichts, bis der Hund die typischen Symptome eines Zuckerkranken zeigt. Mit der Entdeckung des Zusammenhangs zwischen Bauchspeicheldrüse und Diabetes schaffen Mering und Mintovski die Grundlagen zur Entdeckung des Insulins.

Im Jahr darauf beginnt Josef von Mering an der Universität Halle seine Zusammenarbeit mit dem Biochemiker und späteren Nobelpreisträger Emil Fischer. Auf der Suche nach einem neuen Schlafmittel erforschen sie die hypnotischen Wirkungen, die Barbitursäure in Verbindung mit anderen Substanzen entwickelt. 1902 entsteht so die Diäthylbarbitursäure, ein Pulver, das weder schlecht riecht noch unangenehm schmeckt und schon in Mengen von 0,3 Milligramm wirksam ist. Entgegen aller Gepflogenheiten geben die Forscher ihrem Schlafmittel einen griffigen Fantasienamen: Veronal. Den Siegeszug der neuen Lifestyle-Droge kann Josef von Mering nur kurze Zeit miterleben. Wenige Wochen vor seinem 59. Geburtstag, am 5. Januar 1908, stirbt er nach monatelanger Krankheit in Halle an der Saale. So bleibt ihm die Erfahrung erspart, dass seine Erfindung nicht nur schläfrig, sondern auch süchtig macht und in den folgenden Jahrzehnten zur Selbstmorddroge Nummer eins avanciert. Erst 1956, nachdem unzählige Menschen mit Veronal den endlosen Schlaf gefunden haben, wird die Produktion eingestellt. Ein Jahr darauf kommt das nächste "todsichere" Wunder-Schlafmittel auf den Markt. Es heißt Contergan.

Stand: 05.01.08