Stichtag

18. November 2008 - Vor 30 Jahren: Massentötung der Jim-Jones-Sekte

Gehirnwäsche, Drogen, Orgien, Missbrauch - vehemente Vorwürfe werden Mitte der 1970er Jahre gegen den US-amerikanischen "People's Temple" ("Volkstempel") erhoben. Eine Religionsgemeinschaft, deren Prediger Jim Jones  kurz zuvor noch zu den hundert herausragenden Geistlichen der USA gezählt wurde. 1956 hatte er die sozialistisch-christliche Sekte gegründet, die sich radikal von der US-Kultur abkehrt und die sozialen Unterschiede von Hautfarbe, Geschlecht, Alter und Besitz aufheben will: "Ich repräsentiere das göttliche Prinzip: absolute Gleichheit, eine Gesellschaft, in der allen alles gemeinsam gehört. In der es keine Reichen und Arme gibt. Keine Rassen."

Jim Jones, 1931 im ländlichen Indiana als James Warren Jones  geboren, ist der Sohn eines Kriegsinvaliden und einer Gelegenheitsarbeiterin. Im Nachhinein wird er als seltsames, verrücktes Kind bezeichnet. Jones selbst sieht sich durch die Armut seiner Familie geprägt: "Weil ich mich wie ein Ausgestoßener fühlte, entwickelte ich sehr früh ein Gespür für die Probleme der Schwarzen." Er interessiert sich für religiöse Ideen und den Kommunismus. 1952 erhält er seine erste Predigerstelle. Als Schwarzen der Zutritt zum Gottesdienst verwehrt wird, verlässt er die methodistische Gemeinde und gründet seine eigene Kirche: "People's Temple ". Jones predigt: "Es gibt nur einen Hoffnung auf Erlösung - die in euch. Niemand wird aus dem Himmel herunter kommen. Es gibt keinen Himmel da oben. Wir müssen den Himmel hier unten schaffen." Mit dieser Botschaft gewinnt Jones vor allem junge Menschen als Anhänger. Mitte der 1960er Jahre gründen die Volkstempler ein einträgliches Landwirtschaftsprojekt im kalifornischen Dorf Ukiah. Jones hatte in einem Artikel gelesen, dass diese Gegend bei einem Atomschlag unversehrt bleiben würde. Um mehr Mitglieder zu gewinnen, zieht die Gruppe 1971 in eine verlassene Synagoge nach San Francisco. Kurz darauf werden Gerüchte über Zwang und Kulte laut. Die Presse berichtet.

1977 verlassen die Volkstempler die USA und gehen nach Mittelamerika. Bereits drei Jahre zuvor haben sie im sozialistischen Guyana Land urbar gemacht, um das "kommunistische Paradies" Jonestown zu errichten. Doch Ruhe findet Gemeinschaft auch dort nicht. Der Gruppendruck wächst. Rund um die Uhr sind Jones Predigten aus den Lautsprechern zu hören. Im November 1978 fliegen "besorgte Angehörige" aus den USA zusammen mit einem Kongressabgeordneten nach Guyana und versuchen, Volkstempler zur Rückkehr zu bewegen. Als 16 Sektenmitglieder am 18. November 1978 ausreisen wollen, wird das Feuer auf die US-Delegation eröffnet. Fünf Tote liegen auf dem Rollfeld, darunter der Kongressabgeordnete. Daraufhin ruft der Prediger seine Gemeinde zusammen. Die "weiße Nacht" beginnt: "Wenn wir nicht in Frieden leben können, dann lasst uns in Frieden sterben!", ruft Jones. Ein Tonband dokumentiert die letzten Stunden der Volkstempler. Jones spricht von einem revolutionären Akt. Bewaffnete sperren die Versammlungshalle ab. Aus einer Blechtonne wird mit Valium und Cyanid versetzter Saft geschöpft. Eltern flößen ihn ihren Kindern ein und trinken dann selbst. Jones predigt weiter. Am nächsten Morgen werden 909 Leichen gefunden, darunter 276 Kinder und ein toter Prediger mit einer Kugel im Kopf.

Stand: 18.11.08