Stichtag

29. November 2004 - Vor 650 Jahren: Stiftung des ersten Krankenhauses

"In Anbetracht, dass nichts gewisser ist als der Tod, aber nichts ungewisser als die Stunde des Todes, habe ich ein ewiges Spital gestiftet", schreibt Anna Seiler am 29. November 1354 in ihr Testament. Sie ist eine wohlhabende Bürgerin von Bern, der heutigen Hauptstadt der Schweiz. In ihrer letzten Verfügung steht: "In diesem Spital sollen ständig dreizehn bettlägerige und dürftige Personen aufgenommen sein, sowie drei ehrbare Personen, die den Dienst als Pfleger der armen Bettlägerigen versehen sollen." Die Zahl Dreizehn hat Anna Seiler bewusst gewählt: Sie steht für Jesus und seine zwölf Apostel. Doch obwohl sie gläubig ist, stiftet sie ein weltliches Krankenhaus. Die Trägerschaft soll nicht ein kirchlicher Orden übernehmen, wie es damals üblich ist, sondern eine Stiftung.

Im 14. Jahrhundert wohnen rund 6.000 Menschen in Bern, hoch über der Schleife des Flusses Aare. Die Stadt wächst, der Handel gedeiht. Über Anna Seiler selbst ist nicht viel bekannt. Ihr Vater, Peter Ab Berg, ist reich und Mitglied des Stadtrates. Auch Hermann Seiler, ihr Ehemann, ist politisch aktiv. Er arbeitet als "Vogt und Pfleger" eines Spitals. Als er 1338 stirbt, steht seine kinderlose Witwe alleine da. Elf Jahre später geht Berns Blüte jäh zu Ende. Bis zu 60 Menschen sterben pro Tag an den Folgen der Pest, die Stadt verliert ein Drittel der Bevölkerung. Weit verbreitet ist auch Lepra, der durch Jodmangel erzeugte Kropf oder das Antoniusfieber, das durch verseuchtes Brot hervorgerufen wird. Wohlhabende Kranke lassen sich zu Hause pflegen. Die anderen sind auf die wenigen Spitäler angewiesen. Essen, ruhen und beten sind die üblichen Therapien. Ärztliche Versorgung gibt es im 14. Jahrhundert nicht. Anna Seiler stirbt im Sommer 1360, woran, ist nicht überliefert. Nach ihrem Tod entsteht das "Seilerin Spital". Mit dem Umzug in das leerstehende Kloster "St. Michaels Insel" bürgert sich der bis heute gebräuchliche Name "Insel-Spital" ein. Dort arbeiten mittlerweile rund 6.000 Menschen, die pro Jahr etwa 200.000 Patienten versorgen.Stand: 29.11.04