Je größer ein Baum, desto leichter bricht ihn der Sturm. Wer trotzdem über die anderen hinauswachsen will, der biege sich geschmeidig im Winde. Hu Jintao hat diese Weisheit seines Volkes ein Leben lang perfekt befolgt. Als "Mann ohne Eigenschaften" ist dem gelernten Wasserbauingenieur und jüngsten Provinzparteichef in der Geschichte der Volksrepublik China eine steile Karriere bis an die Staatsspitze gelungen. Mao-Nachfolger Deng Xiaoping höchstpersönlich protegiert den 1942 geborenen Sohn eines Buchhalters. Seinen Härtetest besteht der fortschrittlich denkende, aber unauffällig agierende Hu, als er 1989 in Tibet die Proteste gegen die chinesische Fremdherrschaft energisch niederschlagen lässt. Daraufhin beruft ihn Parteipatriarch Deng nach Peking in den innersten Zirkel der Macht.
Mit der Übernahme des Parteivorsitzes vom alternden Deng-Nachfolger Jiang Zemin vollzieht sich im November 2002 der erste Schritt des geplanten Machtwechsels. Im Westen fällt angenehm auf, dass der mit 60 Jahren vergleichsweise junge, durchaus charmant wirkende Hu den Personenkult seines Vorgängers ablehnt. Hoffnungen auf einen demokratischeren Kurs werden aber enttäuscht. Auch als Hu am 15. März 2003 zum Staatspräsidenten gewählt wird, bleibt er dem Vermächtnis Deng Xiaopings treu: Wirtschaftliche Öffnung bei gleichzeitiger totaler Kontrolle von Politik und Gesellschaft. Einen Monat nach seiner Wahl besteht Hu mit einem für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich offen geführten Kampf gegen die Lungenkrankheit SARS seine erste Bewährungsprobe. An den zentralen Schalthebel der Macht gelangt der Parteivorsitzende und Staatspräsident, als ihm sein Vorgänger Jiang den Vorsitz in der Zentralen Militärkommission überlässt.
Erst mit diesem im September 2004 vollzogenen Schritt hält Hu Jintao die gesamte Kontrolle über die Atommacht China in Händen. Um aus Jiang Zemins großen Schatten herauszutreten, absolviert der als Mensch im Westen nahezu unbekannte Hu 31 Staatsbesuche in zwei Jahren. Wärend seines Deutschlandaufenthalts im November 2005 stattet er auch Nordrhein-Westfalen einen Besuch ab. Eine Bilanz seiner ersten Amtsperiode könne sich durchaus sehen lassen, urteilt Heike Holbig, China-Expertin des Asieninstituts Hamburg. So habe Hu erfolgreich die wuchernde Korruption bekämpft, die Lebensumstände der unzähligen armen Wanderarbeiter verbessert und eine Wirtschaftsförderung für die abgelegenen Gebiete des Riesenreichs in Gang gebracht. Menschenrechtsverletzungen seien allerdings weiter an der Tagesordnung. Nach wie vor sitzen Millionen Chinesen in Arbeitslagern; nach wie vor werden jährlich schätzungsweise rund 8.000 Menschen hingerichtet.
Stand: 15.03.08