Frank Mella hat sich um Deutschland verdient gemacht. Der Frankfurter Finanzjournalist ist der Erfinder des DAX, des Deutschen Aktienindexes. Für diese Leistung darf er sich heute mit dem Bundesverdienstkreuz schmücken. Denn der DAX hat endlich Transparenz in das zuvor selbst für Experten schwer überschaubare Geschehen am deutschen Aktienmarkt gebracht. Im Auftrag der Frankfurter Wertpapierbörse beseitigt Mella das Nebeneinander etlicher verschiedener Indizes und entwickelt den einen maßgeblichen Index zur Bewertung der Befindlichkeit deutscher Top-Unternehmen. Doch als Mella am 23. Juni 1988 sein neues Börsenbarometer präsentiert, ahnt er selbst nicht, welche Investitionsfreude er damit unter Deutschlands Geldanlegern auslöst.
Im Grunde ist der DAX nichts anderes als ein überdimensionaler Einkaufskorb. Die Ware darin sind die 30 größten deutschen Aktiengesellschaften, das Tafelsilber der heimischen Wirtschaft. Ihr Kurswert, zusammengefasst und nach einer von Mella entwickelten Formel berechnet, bildet den Deutschen Aktienindex. Der wird anfangs noch umständlich von Börsenhändlern mit Bleistift und Papier ermittelt - zunächst alle halbe Stunde, dann viertelstündlich und seit Einführung des Computerhandels Ende der 90er Jahre sogar jede Sekunde. Seither zeigt der DAX mit einer einzigen Zahl die aktuelle Stimmung auf dem Frankfurter Börsenparkett an. Mit 1.163 Punkten geht er am 1. Juli 1988 an den Start. Volle fünf Jahre braucht er, um sich auf 2.000 Punkte hinauf zu arbeiten. Nach einigen Tiefs wie etwa durch die Asien-Krise 1997 bringt schließlich der Börsengang der Deutschen Telekom den Durchbruch für den DAX.
Animiert durch "Tatort"-Kommissar Manfred Krug investieren hunderttausende Kleinanleger ihr Erspartes erstmals in Aktien und lösen damit einen unvergleichlichen Börsen-Hype aus. Die Deutschen entdecken den Spaß am Spekulieren und treiben den Kurs in Schwindel erregende Höhen. Mit 8.136 Punkten erreicht der DAX im März 2000 sein absolutes Allzeit-Hoch. Dann bricht die Spekulationsblase, angefeuert durch den Verfall von T-Aktie und Neuem Markt, in sich zusammen. Eigentlich nichts Besonderes für das Geschehen an einer Börse, erklärt Frank Lehmann, prominenter Aktienspezialist der ARD: "Gier und Panik - zwischen diesen beiden Polen spielt sich das Börsenleben immer ab." Nach dem Beinahe-Crash sucht die Masse der düpierten Kleinanleger um Milliarden erleichert das Weite. Beim folgenden Aufwärtstrend sind die Börsenprofis dann weitgehend wieder unter sich. Inzwischen peilt der DAX erneut Bestmarken an und hat sich auf den internationalen Finanzmärkten als zuverlässiger deutscher Börsenindex etabliert.
Stand: 23.06.08