Es gibt eine naturgegebene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Davon ist der konservative Politiker Hermann Jakobs überzeugt. "Der Mann ist für Kampf und Arbeit bestimmt", sagt er 1893 in seiner Rede vor dem deutschen Reichstag, "die Frau zur Pflege reiner, warmer und inniger Gefühle. Dem Manne gebührt der Kampf und die Arbeit, das Weib aber wische ihm den Schweiß von der Stirn." Eigentlich geht es Jakobs darum, sich gegen den Einfluss der Frau in der Politik zu verwahren. "Die Stimme der Frau taugt ja schon gar nicht zu politischen Reden", beruhigt er seine männlichen Kollegen, "weil die Stimmritze der Frau viel kleiner ist und nicht das nötige Volumen hat."
Diese anatomische Begründung demokratischer Rechte liegt Neuseeland fern. Im jenem Jahr, in dem Jakobs in Deutschland lauthals gegen das Frauenwahlrecht wettert, wird es am 19. September 1893 vom Parlament der britischen Kolonie beschlossen - erstmals in der Geschichte und, ebenso überraschend, für Weiße und Maori gleichermaßen. In zahllosen Unterschriftenaktionen hatte die schottischstämmige Frauenrechtlerin Kate Sheppard die Abgeordneten in Wellington zuvor weichgeklopft. Für ihre letzte Petition konnte sie rund ein Drittel der volljährigen Frauen mobilisieren. Heute ziert ihr Konterfei die neuseeländische Zehn-Dollar-Note. In Europa wird erst Finnland 1906 mit dem Wahlrecht für Frauen nachziehen. In Liechtenstein legen noch 1971 rund 56 Prozent der Männer ihr Veto gegen das Frauenwahlrecht ein.
Den Höhepunkt politischer Mitbestimmung von Frauen erreicht Neuseeland 1999. In diesem Jahr wird die Labour-Abgeordnete Helen Clark Premierministerin. Wenig später folgt ihr Silvia Cartwright als Staatsoberhaupt. Auch die Ämter des höchsten Richters und des Generalstaatsanwalts bekleiden zur Jahrtausendwende Frauen. Der weibliche Einfluss wirkt zurück auf die Gesellschaft: Heute sind rund 50 Prozent der neuseeländischen Arbeitsstellen mit Frauen besetzt.
Stand: 19.09.08