Der Einsatz ist Ehrensache, findet Bundeskanzler Helmut Kohl ( CDU). Nach seinem Willen soll die Bundeswehr an der militärischen UN-Mission im ostafrikanischen Somalia teilnehmen. Die anderen UN-Mitgliedsstaaten hätten die Bundesrepublik aufgefordert, sich für die internationale Zustimmung zur Deutschen Einheit erkenntlich zu zeigen - sagt Kohl: "Jetzt erwarten wir von euch, dass ihr euch eurer Verantwortung in dieser Welt stellt und euch nicht feige wegdrückt." Die Opposition sieht das anders: Es geht nicht um Ehre, meint Günter Verheugen ( SPD ). Die Bundesregierung wolle neue Fakten schaffen und demonstrieren, "dass sich die Bundesrepublik Deutschland an militärischen Einsätzen außerhalb der Landesverteidigung jetzt endlich wieder beteiligen kann". Solche Einsätze seien nicht durch die Verfassung gedeckt.
Bereits im April 1992 haben die Vereinten Nationen insgesamt rund 20.000 Blauhelm-Soldaten aus 29 Ländern nach Somalia geschickt. Sie sollen die Waffenruhe zwischen den verfeindeten Clan-Führern überwachen und die unter dem Bürgerkrieg leidende Bevölkerung unterstützen. Die ersten deutschen Truppen sind längst im Einsatz, als in der Bundesrepublik die Debatte aufflammt: Im Sommer 1992 hat die Luftwaffe der somalischen Bevölkerung Hilfsgüter geschickt. Anfang 1993 bitten die Vereinten Nationen die Bundesrepublik um weitere Unterstützung. Bundeskanzler Kohl hatte diese Hilfe angeboten. Sein Kabinett und die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag entscheiden sich für einen Einsatz. Die SPD klagt vor dem Verfassungsgericht, bleibt aber erfolglos. Außenminister Klaus Kinkel ( FDP ) darf verkünden, "dass die Beteiligung der Bundeswehr an der militärischen Operation der Uno in Somalia Unosom II aufrechterhalten und fortgeführt werden darf, wenn und soweit der Deutsche Bundestag dies beschließt".
Daraufhin spricht sich der Bundestag am 2. Juli 1993 ein zweites Mal für den Somalia-Einsatz aus. Erstmals werden nun bewaffnete deutsche Soldaten in einen humanitären Einsatz außerhalb des Nato-Gebietes geschickt. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) versichert: "Wir stellen keine Kampftruppen, sondern wir stellen nur Versorgungstruppen aufgrund der besonderen verfassungspolitischen Diskussion in Deutschland." Die deutschen Soldaten sollen in Belet Huen, nördlich von Mogadischu, ein indisches Kontingent versorgen. Doch die Inder kommen nicht. Die rund 1.700 Bundeswehr-Angehörigen erledigen deshalb andere Aufgaben: Sie bohren Brunnen, bauen Waisenhäuser, Schulen, Straßen, Dämme und übergeben Prothesen an Minenopfer. Doch immer wieder gibt es Schießereien mit Toten und Verletzten. Im März 1994 verlassen die Deutschen zusammen mit einem Großteil der UN-Truppen das immer gefährlich werdende Land. SPD-Politiker Verheugen kritisiert: "Ich sage, dass die Bundesregierung die Bundeswehr für eine politische Demonstration missbraucht hat." Nach ihrer Regierungsübernahme 1998 schickt die SPD selbst, gemeinsam mit den Grünen, deutsche Soldaten ins Ausland - zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg zum Kampfeinsatz, in den Kosovokrieg.
Stand: 02.07.08