Stichtag

24. November 2008 - Vor 75 Jahren: Hans Otto wird in Berlin umgebracht

In einem Café am Viktoria-Luise-Platz in Berlin entdecken sie ihn: Drei SA-Männer nehmen den untergetauchten Schauspieler Hans Otto am 13. November 1933 fest und schleppen ihn zu einem ihrer Treffpunkte. Dort schlagen sie ihn zum ersten Mal zusammen und treten mit ihren Stiefeln auf ihn ein. Dann bringen sie ihn in ein SA-Quartier nach Köpenick und schließlich ins Zentrale der  Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße. Otto, Mitglied der in den Untergrund gedrängten KPD, soll seine Genossen verraten. Doch die Nazis können keinen einzigen Namen aus ihm herausprügeln. Otto schweigt elf Tage lang, obwohl er immer wieder misshandelt wird. Der letzte Akt spielt sich am 24. November 1933 in einer Kaserne in der Vossstraße ab: Als der Schauspieler sich nicht mehr rührt, schmeißen ihn seine Peiniger aus einem Fenster des dritten Stocks. Er wird noch in ein Krankenhaus gebracht, wo er kurz darauf stirbt - als einer der ersten Künstler, den die Nazis ermorden.

Geboren wird Hans Otto am 10. August 1900 in Dresden als Sohn eines Beamten. Einer seiner Mitschüler auf dem Gymnasium ist Erich Kästner. Otto will schon als Schüler zum Theater. Weil sein Vater dagegen ist, verlässt er sein Elternhaus und schlägt sich alleine durch. Erste Erfolge feiert der 20-Jährige in der Rolle eines jugendlichen Liebhabers in einem Künstlertheater in Frankfurt am Main, wo er drei Jahre spielt. Ottos nächste Stationen sind die Hamburger Kammerspiele, das Hoftheater Gera und das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Dort glänzt er vor allem in klassischen Rollen. Ab Juni 1930 begeistert er in Berlin als Orlando die Kritiker. Im Herbst wird Otto ans Staatstheater verpflichtet. Auch dort spielt er gleich die großen Rollen: den Prinzen von Homburg, den Egmont, den Kaiser in "Faust". Daneben engagiert er sich politisch: Nachdem er in Hamburg den Aufstand der Hafenarbeiter miterlebt hatte, war er bereits 1924 in die KPD eingetreten. Er ist kein Salonrevolutionär wie sein Kollege Gustaf Gründgens, sondern einer, der sich für andere einsetzt und sogar die Gage teilt. Am Schauspielhaus ist er außerordentlich beliebt. Regisseur Leopold Lindtberg erinnert sich: "Was im Umgang mit Hans Otto am deutlichsten auffiel, war das Fehlen jeder Eitelkeit."

Kurz nach der Machtübernahme der Nazis wird Otto von der neuen Schauspielhaus-Leitung gefeuert. Unverzüglich bekommt er Rollenangebote aus Wien, Zürich und Prag. Doch er bleibt in Deutschland und arbeitet im Untergrund - bis er denunziert wird. Hans Otto ist 33 Jahre alt, als er umgebracht wird. Die Kollegen am Theater sind über seinen Tod entsetzt. Gründgens übernimmt die Kosten der Beerdigung. Hinzugehen traut er sich ebenso wenig wie die anderen Schauspieler - Propagandaminister Joseph Goebbels hat es ihnen verboten. Im Dezember 1933 erkundigt sich Bertolt Brecht aus dem dänischen Exil in einem "Offenen Brief an den Schauspieler Heinrich George" nach dem Schicksal Ottos: "Er ist ein Mann von seltener Art - nicht käuflich!" In der DDR wird Otto als Held verehrt: Die Theaterhochschule in Leipzig und zahlreiche Straßen tragen seinen Namen. Zum 75. Geburtstag gibt die DDR-Post sogar eine Briefmarke mit seinem Porträt heraus.

Stand: 24.11.08