"Von einer natürlichen Begabung angeregt, widmete ich mich seit meinen frühesten Jahren dem Studium der Architektur". So beginnt Andrea Palladios Vorwort der "Quattro Libri", der Vier Bücher zur Architektur, erschienen erstmals 1570 in Venedig. Mehr als diesen einen Satz wird der Autor, der eigentlich Andrea di Pietro della Gondola heißt, sein Leben lang nicht über seine Biografie preisgeben. Als gesichert gilt nur, dass der Sohn eines Müllers am 30. November 1508 in Padua getauft wird. Nach Ansicht von Andreas Beyer, Ordinarius für Kunstgeschichte in Basel, sorgt Palladio selbst akribisch dafür, dass sein Leben völlig hinter seinem Werk verschwindet. Ein monumentales Werk, ohne das die europäische und in ihrer Folge auch die amerikanische Architektur der vergangenen Jahrhunderte nicht vorstellbar ist. Weltberühmte Gebäude wie das Weiße Haus und das Capitol in Washington sowie zahllose säulenverzierte Nobelvillen der Gegenwart wären ohne Palladios wiederbelebter Formensprache der Antike nicht entstanden.
Schon zu Lebzeiten gilt Andrea Palladio als der bedeutendste Architekt der Renaissance. In ganz Italien reißt man sich um seine Entwürfe für Paläste, Kirchen, Theater und Villen, deren berühmteste, die Villa Rotonda bei Vicenza, zum Symbol der Renaissance-Architektur schlechthin geworden ist. Besondere Bedeutung beim Aufstieg des jungen Andrea zum Star-Baumeister kommt dem Dichter Gina Giorgio Trissino zu. Der Adlige fördert den gelernten Steinschneider, verleiht ihm den Namen Palladio, der auf die griechische Göttin Pallas Athene verweist, und verschafft ihm erste Aufträge. Vor allem finanziert er Palladios erste Reise nach Rom, die für den aufstrebenden Architekten zum Schlüsselerlebnis wird. Er studiert jedes Detail der antiken Ruinen, "so dass ich recht bald zu einem Forscher wurde, der nichts vorfand, was nicht mit Verstand und schönem Ebenmaß geschaffen worden war".
Palladio beschränkt sich aber nicht darauf, die Gesetze antiker Baumeister zu befolgen. Vielmehr benutzt er das Altertum als Reservoir von Formen, die ihm in ganz neuen Zusammenhängen nützlich erscheinen. So habe Palladio die Antike nicht nachgeahmt, erklärt der Kunsthistoriker Beyer, sondern regelrecht überboten, um den Schaueffekt und Repräsentationswert seiner Bauten stärker zu betonen, als dies in der Antike je der Fall war. Stilelemente wie eindrucksvolle Säulenreihen und Giebelfelder etwa, die einst den Tempeln der Götter vorbehalten waren, dienen Palladio als prachtvoller Fassadenschmuck von Profanbauten aller Art. Der symbolische Gehalt seiner Architektur ist ihm wie auch seinen Auftraggebern stets wichtiger als die bloße Nützlichkeit. "Vielleicht hat die Baukunst ihren Luxus nie höher getrieben", bemerkt schon der Palladio-Bewunderer Goethe auf seiner Italienreise. "Die Mannigfaltigkeit ist groß und die Absicht des Besitzers ist völlig erreicht, der ein großes Gut und zugleich ein sinnliches Denkmal seines Vermögens hinterlassen wollte."
Stand: 30.11.08