Zu Beginn der Automobilgeschichte kann die "Benzinkutsche" ihre Verwandtschaft mit dem vom Pferd gezogenen Vorläufer nicht verbergen. Nur sehr vermögende Automobilisten leisten sich den Luxus, die noch recht plumpen Aufbauten ihrer Motorgefährte von Fachleuten mit einer individuell entworfenen Karosserie veredeln zu lassen. Als König dieser Blech-Designer und Vater der modernen Auto-Gestaltung gilt ein kleiner, bulliger Mann, der am 2. November 1893 in der Nähe von Turin geboren wird. Wegen seiner geringen Körpergröße wird Battista Farina, zehntes von elf Kindern einer armen Familie, von allen spöttisch nur "Pinin" genannt, was im piemontesischen Dialekt "der Kleine" heißt. Jahrzehnte später macht sich Battista den Spottnamen zu eigen und etabliert "Pininfarina" als teuerste Marke der internationalen Auto-Haute-Couture.
Battista beginnt seine Karriere als "carozzieri" in der Turiner Werkstatt seines älteren Bruders. Giovanni Agnelli, später allmächtiger Chef von Fiat, entdeckt das besondere Talent des Kleinen und erteilt ihm den ersten Auftrag. Dieser 1912 von Farina entworfene "Fiat Null" gerät prompt zu einem Meilenstein der italienischen Automobilgeschichte. 1920 schickt Fiat den talentierten Jungdesigner nach Detroit, um bei Henry Ford dessen Produktionsmethoden zu studieren. Obwohl der Motor-Mogul den ideenreichen Italiener engagieren will, kehrt Farina in die Heimat zurück und gründet 1930 in Turin seine erste eigene Firma, die "Carozzeria Pinin Farina". Schnell macht seine revolutionäre Linienführung Furore. Monarchen, Filmstars und Wirtschaftsbosse aus aller Welt reißen sich um die eleganten Modelle aus Turin, die auf Fahrgestelle von Fiat, Lancia, Alfa Romeo, Mercedes oder auch Cadillac montiert werden. Weltberühmt wird Pinin Farina durch ein Nash-Healey-Cabriolet von 1952. Audrey Hepburn, Humphrey Bogart und William Holden kutschieren darin durch Billy Wilders Hollywood-Romanze "Sabrina". Im selben Jahr beginnt auch die bis in die Gegenwart andauernde ergiebige Kooperation mit Ferrari.
Ein Erfolgsmodell nach dem anderen entsteht an den Zeichentischen des Turiner Blech-Schneiders: das Giulietta Cabrio für Alfa Romeo, der Fiat Spider, die Peugeot-Modelle 403 und 404. Mit der Flaminia, einem eleganten Lancia-Modell in Trapezform, kreiert Pinin Farina den Inbegriff der modernen Autoform. Sein Sportwagen "Cisitalia 202" schafft es sogar ins New Yorker Museum of Modern Art. Im Jahr 1961 erhält Battista von Italiens Staatspräsident die Erlaubnis, seinen Nachnamen offiziell in Pininfarina zu ändern. Hoch geehrt und wirtschaftlich enorm erfolgreich stirbt Italiens berühmtester Auto-Schneider am 4. April 1966 in Lausanne. Die Geburtsstätte so vieler Traumkarossen steht - nach etlichen Krisen in den vergangenen Jahren - inzwischen kopflos da: Anfang August 2008 kommt Konzernchef Andrea Pininfarina, Enkel von Battista, tragisch ums Leben. Der erst 51-Jährige ist mit einer Vespa unterwegs, als er von einem unaufmerksamen Autolenker zu Tode gefahren wird.
Stand: 02.11.08