Die Kräfte sind ungleich verteilt: Während die Deutschen zu Beginn des Ersten Weltkriegs mit rund 1,6 Millionen Soldaten gegen Frankreich ziehen, sind in Ostpreußen nur 170.000 Soldaten stationiert - die 8. Armee unter General von Prittwitz. Nach den Vorstellungen der deutschen Militärführung soll sie defensiv agieren, bis die Schlacht im Westen gewonnen ist."Würde mein Kaiser und König meiner bedürfen?", fragt sich derweil der 66-jährige Paul von Hindenburg in Hannover "in sehnsuchtsvoller Erwartung". Der seit drei Jahren pensionierte General brennt darauf, reaktiviert zu werden. Kaum drei Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs erhält er die ersehnte Anfrage. Die Oberkommandierenden schicken ihn nach Ostpreußen, um dort Prittwitz abzulösen - der ihnen allzu defensiv ist.
Am 26. August 1914 beginnt die Schlacht von Tannenberg, am 29. August ist sie schon entschieden. Flugzeuge und ein Zeppelin liefern den Deutschen genaue Informationen über die Bewegungen des Gegners, die unverschlüsselten russischen Funksprüche hören sie mit. Den zahlenmäßig unterlegenen Deutschen gelingt es, die russische Armee einzukesseln und zu zerreiben. 90.000 Russen werden gefangen genommen, zahlreiche Geschütze erbeutet. Stolz verkündet Hindenburg: "Soldaten der 8. Armee! Die vielfältigen heißen Gefechte zwischen Allenstein und Neidenburg sind beendet. Ihr habt einen vernichtenden Sieg über fünf Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen errungen."
Revanche für 1410
Obwohl Tannenberg am Rande der Kampfhandlungen liegt, erhält die Schlacht den Namen des Ortes - gleichsam als späte Revanche für die gleichnamige Schlacht im Jahre 1410. Damals wurde der Deutsche Orden von polnischen und litauischen Kräften vernichtend geschlagen. Jetzt hat man, so die offizielle Sicht, "einen neuen slawischen Einbruch mit dem Schwerte abgewiesen".
Hindenburg und sein Generalstabschef Ludendorff werden zu Helden stilisiert und machen Karriere. 1916 übernimmt das Gespann die Oberste Heeresleitung. Nach dem Ersten Weltkrieg wird Hindenburg sogar Reichspräsident. 1933 ernennt der greise Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler, der von der Aura des "Helden von Tannenberg" profitiert und aus dessen Beisetzung 1934 ein propagandistisches Spektakel am Tannenberg-Denkmal macht.
Stand: 29.08.04