Rationalisierung - der Begriff löst unterschiedliche Reaktionen aus: Arbeitsoptimierung ist für die einen eine große Bedrohung, für die anderen der Königsweg. Arbeitnehmer befürchten Stress durch Mehrarbeit oder gar Arbeitslosigkeit. Arbeitgeber dagegen erwarten höhere Produktivität, größere Gewinne und Renditen. Als Vater der Rationalisierung gilt Frederick Winslow Taylor. Der Amerikaner entwickelt das "Scientific Management" ("Wissenschaftliche Betriebsführung"), den sogenannten Taylorismus. Ebenso wichtig für dieses Gebiet ist sein zwölf Jahre jüngerer Landsmann Frank Bunker Gilbreth, der am 7. Juli 1868 in Fairfield im US-Bundesstaat Maine geboren wird. Während Taylor die Arbeiter mit Stechuhr und Stoppuhr antreibt, will Gilbreth humaner vorgehen: Schneller sollen sie schon werden, aber möglichst ermüdungsfrei.
Obwohl Gilbreth nach der Schule die Zulassung für das Studium am Massachusetts Institute of Technology (MIT) erhält, beginnt er stattdessen eine Lehre als Maurer. Er will seiner Familie finanziell nicht zur Last fallen. Bereits als 17-jähriger Lehrling stellt er fest: Von Effizienz keine Spur, jeder mauert wie er will. Ausführlich studiert er die Bewegungen der Maurer. Gilbreth konstruiert arbeitssparende Werkzeuge und reduziert die Handgriffe von 17 auf fünf - bis die Maurer doppelt und dreimal so schnell arbeiten. Das befördert auch seine Karriere: Er wird erst Polier, dann Bauführer und 1895 selbstständiger Bauunternehmer. Als er 27 Jahre alt ist, verfügt seine Firma bereits über Ableger in New York, Boston und London. Seine Arbeiter trauen allerdings seinen Effizienzstudien nicht und streiken immer wieder. Im Krisenwinter 1910/1911 steht Gilbreth vor dem Bankrott. Sein Ausweg: Er sattelt um und wird Betriebsberater.
Gilbreth startet Bewegungsstudien mit damals neuester Technik. In extremer Zeitlupe filmt er die Bewegungen von Arbeitern und analysiert sie bis auf die Tausendstel Sekunde genau. Dazu heftet er Testpersonen Lämpchen an Hände und Arme. Die Leuchtspuren zeigen die Effizienz der Bewegung. Zu seinem Team gehört auch seine Frau Lillian, die in Psychologie promoviert hat. Sie schreibt auch die Bücher, die in der Regel unter Gilberths Namen erscheinen. Lillian Gilbreth notiert: "Das Gute im Leben besteht aus der Anzahl der 'glücklichen Minuten', die man erlebt oder bewirkt hat. Man erhöhe die Anzahl dieser 'glücklichen Minuten', indem man die nicht erforderliche Ermüdung der Arbeiter beseitigt."Das Glück der Arbeiter ist aber zweitrangig: "Was kümmert es den Arbeiter", so Gilbreth, "ob er eine 'Maschine' ist oder nicht." Er fahre besser dabei und verdiene mehr als früher. "Das ist ihm die Hauptsache." Zusammen identifizieren Gilbreth und seine Frau für alle menschlichen Bewegungen 17 Grundbausteine wie Greifen, Halten und Loslassen. Diese Basiseinheiten nennen sie "Therbligs" - Gilbreth rückwärts gelesen, nur t und h sind vertauscht.Gilbreths Bewegungsrationalisierung beschleunigt die Arbeitsabläufe. Lebenszeit gewinnen kann er nicht: Mit 55 Jahren stirbt er am 14. Juni 1924 in Montclair im US-Bundesstaat New Jersey.
Stand: 14.06.09