Im November 1929 trifft sich der junge Assistenzarzt Werner Forßmann in Eberswalde mit voller Absicht mitten ins Herz. Zuvor hat er die Gefahren eines Eingriffs anatomisch sorgsam ausgelotet. Jetzt führt er sich gegen das ausdrückliche Verbot seines Vorgesetzten in der Auguste-Victoria-Klinik einen Harnleiterkatheter in den Ellenbogen ein und schiebt den kleinen Schlauch bis zu seiner rechten Herzkammer.Danach steigt Forßmann die lange Treppe hinunter zur Röntgenabteilung, verschafft sich mit einigen Tritten gegen anstürmendes Personal Zutritt und macht eine Röntgenaufnahme. Sie dokumentiert den ersten Katheter in einem menschlichen Herzen.
Geboren wird Werner Forßmann am 29. August 1904 in Berlin. Nach seinem erfolgreichen Selbstversuch wird er Assistenzarzt unter dem despotischen Chirurgen Ferdinand Sauerbruch an der Berliner Charité. Der hält nichts von Forßmanns lebensgefährlichem Experiment - der Nutzen bleibt ihm unklar. Nach Reibereien mit Sauerbruch wird Forßmann entlassen, was die Entwicklung des Herzkatheters nach Expertenmeinung um zehn Jahre verzögert. Enttäuscht geht der Arzt zurück nach Eberswalde. Hier beschäftigt sich Forßmann weiter mit seinem Herzkatheter, der seiner Meinung nach bei der punktgenauen Medikation Schwerkranker hilfreich sein kann. Zu diesem Zweck spritzt er sich in einem zweiten Selbstversuch mit einem Schlauch ein Kontrastmittel ins Herz. Sein Bericht über seine Erfahrungen auf dem Chirurgenkongress 1931 stößt auf ein gelangweiltes Auditorium, das die Bedeutung nicht erkennt.Nach dem Krieg erhält Forßmann als NSDAP-Mitglied der ersten Stunde zunächst Berufsverbot. Schmerzlich trifft ihn die Erkenntnis, wie stark die Nationalsozialisten Deutschland als Forschungsstandort haben veröden lassen - zumal die Kardiologen André Frédéric Cournand und Dickinson Woodruff Richards die Entwicklung des Herzkatheters in den USA inzwischen weit vorangetrieben haben. Als beide 1956 den Nobelpreis bekommen sollen, setzen sie durch, dass auch Forßmann ausgezeichnet wird.
Zu dieser Zeit lebt Forßmann eher zurückgezogen als Urologe in Bad Kreuznach. Die Nachricht vom Nobelpreis macht ihn über Nacht zur öffentlichen Person. Nach dem Erfolg wird er 1958 chirurgischer Chefarzt am evangelischen Krankenhaus in Düsseldorf, wegen seiner Kritik an den dortigen hygienischen Verhältnissen aber bald schon wieder vor die Tür gesetzt. Bundespräsident Theodor Heuss muss persönlich vermitteln, um mit der Wiedereinstellung des streitbaren und wenig diplomatisch agierenden Nobelpreisträgers einen Skandal zu verhindern.Werner Forßmann stirbt 1979 im baden-württembergischen Schopfheim. Seine erste Wirkungsstätte, die Auguste-Victoria-Klinik in Eberswalde, ist inzwischen nach ihm benannt.
Stand: 29.08.09