Im August 1961 beginnt die DDR mit dem Bau der Mauer. Dadurch wird das ohnehin belastete Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland noch schwieriger. Direkte politische Gespräche finden kaum statt. Erst im Dezember 1972 wird der Grundlagenvertrag zu den Beziehungen der beiden deutschen Staaten unterzeichnet. "Bisher hatten wir keine Beziehungen, jetzt werden wir schlechte haben – und das ist der Fortschritt", sagt Egon Bahr ( SPD ), damals Bundesminister für besondere Aufgaben. Am 2. Mai 1974 eröffnen in Ost-Berlin und in Bonn die sogenannten Ständigen Vertretungen (StäV) – anstelle der normalerweise üblichen Botschaften. Die StäV kümmert sich um Fragen des Transitverkehrs, den Kulturaustausch, Erbschaftsangelegenheiten und Probleme der Familienzusammenführung. Erster Leiter in Ost-Berlin ist Günter Gaus, der zuvor unter Willy Brandt (SPD) Staatssekretär im Bundeskanzleramt war. "Die beiden deutschen Staaten leben nicht auf einer Insel der Seligen. Die beiden deutschen Staaten leben an der Militärgrenze zwischen den großen Militärblöcken dieser geteilten Welt", erklärt Gaus.
Die bundesdeutsche Behörde in Ost-Berlin ist eine Anlaufstelle für DDR-Bürger, die Rat und Hilfe suchen oder auch einfach nur vorbeischauen wollen. Auch die amerikanische Botschaft hat immer wieder solche Besucher. Anfang 1984 erzwingen junge Ost-Deutsche erstmals in der US-Botschaft ihre Ausreise in den Westen. Der Vorfall änderte auch für die Ständige Vertretung der Bundesrepublik die Lage. Da die Amerikaner keine Besucher mehr einlassen, sprechen diese nun bei der StäV vor. Als die StäV DDR-Bürger ausreisen lässt, nutzen sie immer mehr Menschen als Sprungbrett in die Bundesrepublik. Vor dem Gebäude kontrollieren Volkspolizei und Staatssicherheit zwar alle, die in Ständige Vertretung gelangen wollen, doch Ende Juni 1984 befinden sich im Gebäude bereits Dutzende Menschen, die ihre Ausreise erzwingen wollen. Ein Mann mit Aktentasche versucht es als einer der Letzten. Der damalige Leiter der Ständigen Vertretung Hans-Otto Bräutigam erinnert sich: "Er kam in die Pforte und sah, dass da schon Menschen warteten und kein Platz mehr war. Er ging wieder raus, zog einen Benzinkanister aus der Aktentasche, überschüttete sich mit Benzin und versuchte, sich dann mit einem Streichholz anzuzünden. Gott sei dank ist ihm das misslungen. Seine Hand zitterte."
Der Pförtner stürzt hinaus und bringt den Mann in die Vertretung. Danach geht das Rolltor herunter. Am 27. Juni 1984 wird die Ständige Vertretung geschlossen. Es folgen zähe Verhandlungen über die Ausreise der 55 Personen. Schließlich sichert ihnen die DDR ihre Ausreise zu. Alle sollen aber zunächst ihre Ausreiseanträge in ihren Heimatorten stellen. Das erfolgreiche Ende dieser Verhandlungen wird im DDR-Radio allerdings nur verkürzt dargestellt: "Wie ADN erfährt, haben die Bürger der DDR, die sich in der Ständigen Vertretung der BRD in Berlin aufhielten, die diplomatische Einrichtung freiwillig verlassen. Sie kehren in ihre Heimatorte zurück." Danach bleibt die Ständige Vertretung für einige Wochen geschlossen. Anschließend bewachen noch mehr ostdeutsche Sicherheitskräfte den Zugang zum Gebäude. Im Frühjahr 1989, als DDR-Bürger bereits über Ungarn in den Westen fliehen, wird die StäV erneut zur Zufluchtsstätte. Auch die vielen DDR-Beamten können das nun nicht mehr verhindern.
Stand: 27.06.09