Johannes Heinrich Schultz hat schweres Asthma. Von Geburt an leidet er unter der einschränkenden Krankheit. Und er hat einen überaus forschen, fordernden Vater. Als 30-Jähriger sieht Schulz den Vater in einer psychoanalytischen Sitzung als Büste in der Wüste. Er bläst die Erscheinung einfach weg - und plötzlich ist auch sein Asthma verschwunden. Fortan wird sich Schultz noch stärker als zuvor mit Hypnose und Selbsthypnose beschäftigen.
Schultz wird am 20. Juni 1884 als Sohn eines Theologieprofessors in Göttingen geboren. In Lausanne und Breslau studiert er Medizin, bevor er in Göttingen promoviert. Während des ersten Weltkriegs ist er Chefarzt des Nervenlazaretts im belgischen Namur. Hier macht er die Erfahrung, dass seine schwer traumatisierten Patienten auch ohne körperliche Schäden erblinden oder taub werden. In Ermangelung anderer Methoden greift er bei der Behandlung auf Hypnose und Autosuggestion zurück.Als Assistenzarzt in Frankfurt in den zwanziger Jahren will Schultz die psychosomatischen Phänomene der Traumatisierten weiter erforschen. Er versetzt Studenten in Hypnose und befragt sie nach ihren Erfahrungen beim Hinübergleiten in den Trancezustand. Ein sehr hoher Prozentsatz erinnert sich an ein "ein Schweregefühl im Schreibarm". Schultz experimentiert damit, dieses Schweregefühl von seinen Versuchspersonen durch eine Reihe immer wiederkehrender Formeln ("Der Arm ist ganz schwer") selbst erzeugen zu lassen. Es ist die Geburtsstunde des autogenen Trainings, das Schultz in drei Stufen anlegt: in der ersten Stufe soll durch rhythmisch gesprochene Formeln ein Zustand innerer Versenkung erreicht werden, der Herz-, Atem- und Pulsfrequenz reguliert und Stress abbauen hilft. Nach mehreren Monaten intensiver Praxis kann ein fortgeschrittenes Stadium erreicht werden. Die höchste Stufe soll unter fachlicher Anleitung Zugang zum Unterbewusstsein verschaffen. Das autogene Training verbreitet sich schnell in der ganzen Welt.
1932 erscheint die erste Auflage von Schultz' Standartwerk "Konzentrative Selbstentspannung - der Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung". 1956 bringt er die Zeitschrift "Psychologie" heraus, drei Jahre später gründet er die "Ärztliche Gesellschaft für Hypnose", die bis heute existiert. Schultz stirbt 1970 in Berlin. Heute gilt sein autogenes Training nicht nur als wirksame Selbsttherapie bei Überlastung, sondern auch als Mittel gegen diverse Funktionsstörungen des Körpers, etwa bei Darmverkrampfung oder Asthma.
Stand: 20.06.09