Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht sich bald ein "Eiserner Vorhang" durch Europa - wie der ehemalige britische Premierminister Winston Churchill im März 1946 feststellt. Der Kalte Krieg zwischen den ehemaligen Alliierten aus Ost und West beginnt. In dieser Situation richtet der Aachener Textilkaufmann Kurt Pfeiffer am 19. Dezember 1949 einen Appell an die Bevölkerung seiner Heimatstadt: "Der Machtzuwachs des Ostens ist (...) ins Gigantische gewachsen und wir wissen nicht, wo die Expansion halt machen wird." Die Position der westlichen Mächte sei äußerst schwach. Deshalb müsse die Öffentlichkeit "auf ihre Selbstverantwortung im Schicksalskampf" aufmerksam werden. Es gehe um die Rettung der abendländischen Kultur. Der Grenzstadt Aachen komme dabei eine besondere Rolle zu: "Aachen war einmal geistiges und politisches Zentrum des ganzen westeuropäischen Raumes von den Pyrenäen bis zur slawischen Sprachgrenze." Kaiser Karl der Große hatte dort seine Winterresidenz. Sein Reich erstreckte sich im neunten Jahrhundert vom Ebro bis zur Elbe.
Pfeiffer gehört zur Aachener Oberschicht, die nach der Nazi-Herrschaft die politische und kulturelle Führung der Stadt übernommen hat. Bereits nach der Einnahme der Stadt durch die Alliierten im Oktober 1944 waren viele Honoratioren in eine provisorische Stadtverwaltung unter Aufsicht der amerikanischen Militärregierung eingetreten. Das ehemalige NSDAP-Mitglied Pfeiffer wurde damals nach Prüfung seiner Vergangenheit unter den Amerikanern als Stadtkämmerer beschäftigt. Im Dezember 1949 wird Pfeiffers Initiative von hochgestellten Aachener Persönlichkeiten unterstützt - dem Oberbürgermeister, dem Hochschulerektor, dem Präsidenten der Handelskammer, dem Bischof von Aachen. Pfeiffers Aufruf endet mit dem Vorschlag, "einen jährlich zu verleihenden internationalen Preis zu stiften für den wertvollsten Beitrag im Dienste westeuropäischer Verständigung und Gemeinschaftsarbeit und im Dienste der Humanität und des Weltfriedens." Die Rede markiert die Geburtsstunde des sogenannten Internationalen Karlspreises zu Aachen, der wenige Tage später zum Weihnachtsfest offiziell verkündet wird.
Zum ersten Mal wird der Internationale Karlspreis zu Aachen 1950 verliehen. Überreicht wird die Auszeichnung traditionell am Christi Himmelfahrtstag im Krönungssaal des Aachener Rathauses vom Aachener Oberbürgermeister. Die Wahl der Jury fällt in den ersten Jahren zumeist auf Politiker wie Konrad Adenauer, die sich in der Nachkriegsordnung eindeutig positionieren. Als die europäische Zusammenarbeit stockt und in den 1960er Jahren kein geeigneter Kandidat in Aussicht ist, verzichtet das Direktorium auf die Vergabe. Das stärkt fürs Erste die Glaubwürdigkeit des Preises. Als aber 1987 das Direktorium vom Prinzip der Einstimmigkeit abweicht, kommt es zum Eklat. Die Auszeichnung des früheren US-Außenministers Henri Kissinger - für viele ein Gegner der Entspannung - erfolgt gegen den Willen von zwei Ratsvertretern im Direktorium. Das Direktorium, in der Mehrheit Prominente aus der Region Aachen, steht im Verdacht, einseitig konservative Kandidaten durchzusetzen. "Willy Brandt - dieser Name war undiskutierbar", zitiert der "Spiegel" 1987 ein Direktoriumsmitglied. Erst zwei Jahre später kann die neu gewählte rot-grüne Mehrheit mehr Mitsprache des Stadtrates sichern. Die Reihe der Preisträger wird vielfältiger. Neben Politikern werden nun auch Schriftsteller und Historiker ausgezeichnet.
Stand: 25.12.09