Die elf Erstklässler einer Hamburger Schule sind auf dem Weg zum Turnunterricht, als das Unheil über sie hereinbricht. Ein Pitbull und ein Staffordshire-Terrier überspringen einen Zaun und fallen über einen sechsjährigen türkischen Jungen her. Vom Schock gelähmt müssen die Klassenkameraden mit ansehen, wie ihr Freund von den rasenden Hunden zu Tode gebissen wird. Vergebens versuchen die beiden Hundebesitzer und weitere Erwachsene, die geifernden Tiere zurückzureißen. Erst herbeieilende Polizisten können die zu Bestien mutierten Rassehunde mit gezielten Schüssen zur Strecke bringen. Nach mehreren grausamen Vorfällen dieser Art in der jüngeren Vergangenheit löst das Hamburger Kampfhunde-Massaker im Juni 2000 einen bundesweiten Sturm der Entrüstung aus. Vor allem besorgte Eltern fordern von den Behörden sofortige einschneidende Maßnahmen gegen die "vierbeinigen Killer".
Bayerns Innenminister Günther Beckstein macht sich zum Sprachrohr der Empörung und formuliert die Maximalposition: "Wir wollen, dass diese Kampfmaschinen überhaupt von unseren Straßen und Plätzen vollständig verschwinden!" In Windeseile erlassen fast alle Länder strenge Verordnungen und Rasselisten für besonders gefährlich geltende Tiere. Das Instrumentarium ist so vielseitig wie uneinheitlich. Hier Anlein- und Maulkorbzwang und/oder Wesenstests für Hunde, dort Verhaltensschulen für die Halter und eine Verzehnfachung der Besteuerung von Kampfhunden. In Nordrhein-Westfalen wird ein Mikrochip für große Hunde zur Pflicht. Die Folge: völlig überfüllte Tierheime, Tausende als gefährlich geltende Vierbeiner werden eingeschläfert und wütende Hundehalter laufen Sturm gegen die ihrer Ansicht nach pauschalen Vorverurteilungen ihrer Haustiere. Als der Bund das "Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde" erlässt und darin ein generelles Zucht- und Importverbot bestimmter Rassen festschreibt, wenden sich 52 Züchter und Hundebesitzer an das Bundesverfassungsgericht. Sie wollen das "völlig ungeeignete und damit verfassungswidrige" Gesetz zu Fall bringen.
Am 16. März 2004 verkünden die Karlsruher Richter ihre Entscheidung und bestätigen das bundesweite Einfuhrverbot für vier Kampfhunderassen. Bullterrier, Pitbull Terrier sowie American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier müssen weiterhin draußen bleiben. Das generelle Zuchtverbot für einzelne Rassen dagegen hat keinen Bestand. Es gehe nicht um den Tierschutz, für den der Bund die Verantwortung trägt, argumentiert das Verfassungsgericht, sondern um den Schutz der Menschen vor den Tieren und damit um eine Gefahrenabwehr. Dies aber sei eine Angelegenheit der einzelnen Länder. Die Annahme der besonderen Gefährlichkeit einiger Rassen ist nach Aussage von Senats-Präsident Hans-Jürgen Papier allerdings "vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig". In Folge des Karlsruher Urteils überarbeiten zahlreiche Bundesländer und Kommunen ihre Kampfhunde-Verordnungen, was zum gegenwärtig gültigen, von Region zu Region abweichenden Regelwerk an Maßnahmen und Strafandrohungen für Besitzer von potentiell gefährlichen Hunden führt.
Stand: 16.03.09