Hermine Heusler-Edenhuizen sitzt 1898 mit roten Wangen in der Medizin-Vorlesung: "Ich bin in den ersten Semestern in den Anatomiekollegs jedes Mal tief errötet, wenn von weiblichen Becken und anderen weiblichen Organen die Rede war." Hermine ist eine hübsche Studentin: groß, schlank und blond. Sie und eine Kommilitonin sind die einzigen Frauen, sonst sitzen nur männliche Studenten im Hörsaal.
Am 16. März 1872 kommt Hermine in Emden in Ostfriesland zur Welt. Ihr Vater ist Landarzt. Als sie im Alter von 15 Jahren einen Blinddarmdurchbruch erleidet, bleibt sie fast ein Jahr zu Hause und liest. Die Bibel, Andachtsbücher, philosophische Schriften - in der Emdener Buchhandlung geht sie ein und aus. Bis ihr eines Tages das Heft "Die Frau" von Helene Lange in die Hände fällt: Die Pädagogin und Frauenrechtlerin wird Mentorin und Vorbild. Hermine liest ihre Beiträge über die Frauenbewegung und Bildung. Sie beschließt: Ich will Abitur machen und Ärztin werden.
Doch für ehrgeizige Frauen ist im Kaiserreich kein Platz. 1898, als Hermine ihr erstes Vorlesungsverzeichnis für die Medizinische Fakultät durchblättert, wehren sich die männlichen Kollegen gegen Frauen im Ärzteberuf. Hermine und ihre Kommilitonin werden zunächst nur als Gasthörerinnen geduldet. Wenn sie den Hörsaal betreten, ist die Hölle los: "Wir mischten uns nur mit Grausen unter sie, die bei unserem Eintritt in den Vorlesungsraum als Äußerung ihrer Missbilligung regelmäßig mit den Füßen scharrten und dazu pfiffen." Kurz vor ihrem Staatsexamen doziert ein Professor: "Neuerdings kommen Frauen auf den verwegenden Gedanken, Medizin zu studieren. Das ist Unfug." Doch Hermine lässt sich nicht beirren. Am 4. November 1903 trägt sie keinen weißen Kittel, sondern ein langes schwarzes Kleid - und promoviert mit "Summa cum laude".
Am 3. Dezember 1909 lässt sich Hermine Edenhuizen in ihrer Kölner Praxis nieder - als erste deutsche "Fachärztin für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe". Ein paar Jahre später heiratet sie den Mediziner Otto Heusler, der sich sogar für sie scheiden lässt. Hermine lebt für ihren Beruf - und erhält volle Rückendeckung von ihrem Ehemann. Die Ärztin bekämpft das Kindbettfieber, fordert sexuelle Aufklärung und Kondome. Als Gründungsvorsitzende des Bundes Deutscher Ärztinnen will sie den sogenannten Abtreibungs-Paragrafen 218 abschaffen. 1955 erliegt sie in Berlin einem Schlaganfall. Ihr Erbe wirkt nach: Heute sind mehr als die Hälfte aller Frauenärzte weiblich.
Stand: 03.12.09