Über einen Mangel an Ämtern hat sich der rastlose Macher wahrlich nie beklagen können. Ob als Münchener Generalintendant, Vorsitzender des Deutschen Kulturrats oder als Präsident der internationalen Opernhaus-Direktoren - die beste Besetzung heißt seiner bescheidenen Selbsteinschätzung nach immer: August Everding. Bis zu seinem Tod ist er als künstlerischer Gesamtleiter für die Vorbereitung der EXPO 2000 zuständig. Was er denn noch alles werden wolle, fragt ihn ein Journalist. "Vielleicht Papst?" "Nee", antwortet Everding, "Stellvertreter war ich noch nie gern." Wo es in Deutschland in den 80er und 90er Jahren um Kulturförderung geht und ein Foto geschossen wird, ist Everding mitten drin. Ist er nicht auf dem Bild zu sehen, so ein anderes Bonmot, hat er es selbst fotografiert.
Geboren wird "Schlaugust Cleverding", wie der Multifunktionär respektvoll-spöttisch genant wird, am 31. Oktober 1928 in Bottrop. Bereits mit vier Jahren soll der Sohn eines Propstei-Organisten daheim nachgespielt haben, was er zuvor von seinem Vater auf der Kirchenorgel gehört hat. Das Gymnasium schließt August mit Bestnoten ab. Nach einigen Semestern Philosophie und Theologie in Bonn - "um der Weisheit auf die Schliche zu kommen", wechselt der chronisch ungeduldige Everding als Student der Theaterwissenschaft nach München. Dank einer Empfehlung seines Professors darf er an den Kammerspielen unter Regie-Koryphäen wie Helmut Käutner und Fritz Kortner volontieren. Nach seinem Debüt als Regie-Assistent 1953 klettert er in atemberaubendem Tempo die Karriereleiter empor. 1963, nur eine Dekade später, wird August Everding mit gerade 34 Jahren Intendant des renommierten Hauses.
Als dem Workaholic die Inszenierung der Oper "La Traviata" am Nationaltheater angeboten wird, kann August Everding wieder nicht nein sagen. Nach gefeierten Gastspielen an der Staatsoper Wien und der Met in New York wendet sich das Multitalent ganz dem Musiktheater zu. 1973 übernimmt Everding zunächst die Intendanz der Hamburgischen Staatsoper und wechselt nur drei Jahre später auf den Chefposten der Staatsoper in München. Nach langwierigen Querelen mit Generalmusikdirektor Wolfgang Sawallisch löst Bayerns Kultusminister Maier den Konflikt und gibt Everding 1982 den eigens für ihn geschaffenen Posten des Generalintendanten aller Bayerischen Staatstheater. In dieser Position gelingt es dem "spätabsolutistischen Künstlerfürsten" (Die Zeit), Wirtschaft und Politik zur Restaurierung des seit 25 Jahren dem Verfall entgegendämmernden Prinzregententheaters zu verpflichten. 1996 kann das traditionsreiche Haus wiedereröffnet werden und die von Everding gegründete Bayerische Theaterakademie aufnehmen. In deren Räumen residiert August Everding bis kurz vor seinem Krebstod am 26. Januar 1999.
Stand: 26.01.09