Eine Computergrafik mit dem Modell eines HI-Virus

Stichtag

23. April 2009 - Vor 25 Jahren: Entdeckung des Aids-Virus bekannt gegeben

Eines Tages kommt ein homosexueller Mann zu David Ho ins Krankenhaus in Kalifornien. Der Patient klagt über Atemnot, Ho diagnostiziert eine Lungenentzündung. Aber die verabreichten Medikamente schlagen nicht an, der Mann stirbt innerhalb weniger Monate. Doktor Ho begreift, dass er es mit einer noch unbekannten Krankheit zu tun hat. Gemeinsam mit Kollegen schlägt er Alarm und fordert Labore und Forschungsmittel. Aber US-Präsident Ronald Reagan bleibt hart. "Es ist Zeit, dass sich die Regierung wieder auf das Wesentliche beschränkt und die Steuerlast senkt", lautet seine Devise. "Das hat Priorität, und dabei gibt es keinen Kompromiss."

Der Mann, dem Doktor Ho nicht helfen konnte, hatte Aids. Wie auf der ganzen Welt, so mehren sich auch in den USA die Fälle. Als Ho, inzwischen einer der renommiertesten Aids-Experten, aus Kalifornien in ein modernes Labor in New York übersiedelt, sind allein dort bereits 75.000 Menschen an der Immunschwächekrankheit gestorben. Aber die US-Regierung sieht weiter keinen Handlungsbedarf. Mitten in der Aids-Krise kürzt sie den Etat des Gesundheitsministeriums um ein Viertel. Hinzu kommt, dass Aids als Krankheit Homosexueller gilt, die in den Vereinigten Staaten keine Lobby haben. Vielen Amerikanern gilt die Krankheit als Geißel Gottes gegen den Verfall der Sitten. "Gott ist der Schöpfer der Natur", skandiert etwa der bekannte Fernsehprediger Pat Robertson, "und wenn jemand gegen das Gesetz der Natur verstößt, gegen Moral und Anstand, dann muss er den Preis dafür zahlen."

Vor allem republikanische Politiker schüren Vorurteile. Da hilft es wenig, dass mit Rock Hudson einer der prominentesten Amerikaner an der Immunschwächekrankheit stirbt. Statt in Forschung zu investieren, lässt Reagan Aids auf die Liste ansteckender Krankheiten setzen, um Infizierte an der Einreise in die USA zu hindern. Erst US-Präsident Bill Clinton  gibt eine gänzlich andere Richtung vor. "Viele haben es vorgezogen zu glauben, Aids sei nicht unser Problem. Es betreffe nur Schwule und Drogensüchtige", wird er später sagen. "Aber in Wahrheit betrifft es uns alle. Wir haben keinen menschlichen Abfall in unserem land, und Viren diskriminieren niemand." Trotzdem gilt bis heute in den USA ein Gesetz, das der Bundesregierung verbietet, gesundheitliche Aufklärung für Homosexuelle zu betreiben.
Als die Zahl heterosexueller Opfer steigt, muss auch Ronald Reagan reagieren. Am 23. April 1984 verkündet seine Gesundheitsministerin Margret Heckler, dass "unser hervorragender Doktor Robert Gallo" das Aids-Virus habe identifizieren können. Die mangelnde Aufklärung der US-Regierung zeigt sich noch in dieser stolzen Nachricht. Später wird Heckler zugeben müssen, dass Gallos französischer Kollege Luc Montagnier bei der Entdeckung des Aids-Virus rund ein Jahr schneller war. 2008 wird Montagnier hierfür den Nobelpreis erhalten.

Stand: 23.04.09