Stichtag

12. Juni 2009 - Vor 80 Jahren: Anne Frank wird geboren

"Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird."

Die Tagebuch-Schreiberin heißt Anne Frank. Dass ihre Aufzeichungen einmal historische Bedeutung erlangen, wird sie nie erfahren. Anne wird am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren und ist die zweite Tochter von Otto und Edith Frank. Annes Vater arbeitet in der Bank seiner jüdischen Familie. Als Anfang 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kommen, wandern die Franks aus. Otto Frank gründet in Amsterdam eine Handelsunternehmen. Doch die Familie ist auch hier nicht sicher: Im Mai 1940 marschiert die Wehrmacht in die Niederlande ein. Die Deportation von Juden beginnt im Jahr darauf. 

Als Margot Frank, die drei Jahre ältere Schwester von Anne, im Juli 1942 aufgefordert wird, sich "für einen eventuellen Arbeitseinsatz im Ausland" zu melden, versteckt sich die Familie im Hinterhaus von Otto Franks Firma an der Prinsengracht 263. Ein drehbarer Aktenschrank tarnt den einzigen Zugang im Hauptgebäude. Das Ehepaar Hermann und Auguste van Pels mit dem 16-jährigen Sohn Peter kommen dazu. Später folgt noch Zahnarzt Fritz Pfeffer.

24 Stunden am Tag im Versteck

"Ich sehe uns acht im Hinterhaus, als wären wir ein Stück blauer Himmel, umringt von schwarzen, schwarzen Regenwolken. Das runde Fleckchen, auf dem wir stehen, ist noch sicher, aber die dunklen Wolken rücken immer näher."

Zu ihrem 13. Geburtstag bekommt Anne von ihrem Vater ein Tagebuch geschenkt. Von da an beschreibt sie darin, was sich im Versteck abspielt. Die Untergetauchten müssen 24 Stunden am Tag im Haus bleiben. Wenn unten im Lager gearbeitet wird, müssen sie absolut leise sein.

"Ich werde, hoffe ich, Dir alles anvertrauen können und ich hoffe, Du wirst mir eine große Stütze sein."

Geholfen wird den Untergetauchten von einigen Angestellten der Franks, unter anderem von Miep Gies. Am 4. August 1944 hält plötzlich ein Auto vor dem Haus. Ein SS-Offizier und drei niederländische Polizisten springen heraus und stürmen das Haus. Die Untergetauchten und ihre Helfer sind verraten worden. Sie werden in das Lager Westerbork gebracht. Miep Gies bleibt verschont. Sie findet Annes Tagebuch und versteckt es.

Tod im KZ Bergen-Belsen

Am 3. September 1944 verlässt ein Güterzug das Lager Westerbork. Unter den jüdischen Gefangenen sind auch die acht Untergetauchten. Ziel ist das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Von Auschwitz aus werden die Schwestern Anne und Margot Ende Oktober 1944 nach Bergen-Belsen gebracht. Sie sterben vermutlich im März 1945 an Typhus. Als Einziger überlebt Otto Frank. Er geht nach Amsterdam zurück, erhält von Miep Gies Annes Tagebuch und lässt es veröffentlichen. Bis heute sind davon schätzungsweise 30 Millionen Exemplare in rund 60 Sprachen verkauft worden.

Aus dem früheren Versteck in der Prinsengracht wird ein Museum. Miep Gies, die im Februar 2009 100 Jahre alt geworden ist, antwortet auf die Frage, ob sie auch heute noch in Annes Eintragungen liest: "Ja, natürlich, immer noch. Das legt man nicht weg, es lebt." Wohl auch deshalb, weil Anne Frank mit ihrem Hobby vor allem Eines verband: Trost.

"Mit Schreiben werde ich alles los. Mein Kummer verschwindet, mein Mut lebt wieder auf. Aber, und das ist die große Frage, werde ich jemals Journalistin und Schriftstellerin werden?"

Stand: 12.06.2009