Stichtag

12. August 2009 - Vor 525 Jahren: Tod von Papst Sixtus IV.

Mit entstellten Gesichtszügen und angeschwollenem Hals liegt der Leichnam von Sixtus IV. in Rom auf dem Totenbett. Während drinnen ein einsamer Franziskanermönch beim verstorbenen Papst Wache hält, danken die Gläubigen draußen jubelnd dem Allmächtigen, dass er diesen Heiligen Vater zu sich befohlen hat. "Er hat das christliche Volk aus den Händen dieses gottlosen und verbrecherischen Tyrannen befreit, der keine Gottesfurcht kannte, keine liebevolle Hingabe … nur Wolllust, Geiz, Prunksucht und Eitelkeit", notiert der römische Senatsschreiber Stefano Infessura.Doch mit dem Pontifikat von Sixtus IV. haben die schwärzesten Jahrzehnte der Papstgeschichte erst begonnen. Die folgende Epoche, Blütezeit der Renaissance, ist gezeichnet von skrupelloser Machtgier, die auch vor Morden nicht zurückschreckt, von allgegenwärtiger Korruption und hemmungsloser Vetternwirtschaft. An ihrem Ende steht die Reformation, die endgültige Teilung der Kirche in Katholiken und Protestanten. Und der Philosoph  Niccolò Machiavelli  kommt in Florenz zu der Erkenntnis: "Religion ist nichts anderes als ein vom Menschen gemachtes Herrschaftsmittel."

Sixtus wird im Juli 1414 bei Savona als Francesco della Rovere geboren. Da der Spross einer einfachen Familie von Gemüsehändlern arm, aber intelligent ist, tritt er dem Bettelorden der Franziskaner bei, denn nur der Klerus bietet einem Namenlosen wie ihm Karrierechancen. Er beginnt ein Theologiestudium, das er 1444 mit dem Doktorgrad beendet. Mit 50 Jahren steigt Francesco della Rovere zum General des Franziskaner-Ordens auf; drei Jahre später, 1467, wird er von Papst Paul II. zum Kardinal berufen. Als im Juli 1471 sein ihm - wohl auch in unstatthafter - Liebe zugetaner Förderer stirbt, steht Francesco der Weg zum Stuhl Petris offen. Zwar fehlen dem bislang als scharfsinnig respektierten Emporkömmling einflussreiche Verwandte in der Hierarchie des Vatikans, doch üppige Geschenke und Ämterversprechungen an die Kardinäle sorgen für die nötige Mehrheit im Konklave. Am 9. August 1471 wird Francesco della Rovere zum Pontifex Maximus gewählt. Er gibt sich den Namen Sixtus IV.

Kaum Papst geworden, wandelt sich der zuvor unbestreitbar fromme Theologe zum machtbewussten, weltlichen Herrscher, der das Vermögen des Heiligen Stuhls und den gesamten Kirchenstaat als sein Eigentum betrachtet. 25 Neffen und zwei Schwestern eilen nach Rom und werden von Sixtus mit Kardinalshüten, Adelstiteln und Ländereien versorgt. Vor allem seine Neffen Girolamo und Pietro gebärden sich so unersättlich wie königliche Prinzen. Sie verwickeln den hemmungslosen Nepoten Sixtus in ein Labyrinth von wechselnden Bündnissen und zermürbenden Kleinkriegen mit Venedig, Florenz, Mailand und dem Königreich Neapel. Den Geldmangel bekämpft der Papst mit neuen Steuern, der schamlosen Aufblähung des Ablasshandels und einem schier grenzenlosen Talent im Erfinden überflüssiger, aber käuflicher Ämter. Sixtus IV. bricht mit nahezu allen über Jahrhunderte gewachsenen Normen des Papsttums und regiert wie kein noch kein Pontifex vor ihm. Als er am 12. August 1484 plötzlich nach einem Schlaganfall stirbt, hat er den folgenden, für ihre amoralische Dekadenz später so berüchtigten Renaissance -Päpsten, den Weg bereitet. Vielleicht wäre Sixtus sogar gänzlich hinter den Untaten seiner unsäglichen Nachfolger in Vergessenheit geraten, hätte er nicht ein Glanzlicht der Kunst in Auftrag gegeben, das untrennbar mit seinem Namen verbunden bleibt: die Sixtinische Kapelle.

Stand: 12.08.09