Viel können David und Dora Goodman, jüdische Einwanderer aus Warschau, ihren zwölf Kindern nicht bieten. Als Schneidergehilfe in Chicago verdient der Vater gerade das Nötigste, um seine große Familie durchzubringen. Da kommen den Goodmans die Gagen, die ihr Sohn Benjamin als begabter Klarinettist bereits mit zwölf Jahren verdient, zum Überleben gerade recht. Als der Vater früh stirbt, steigt der am 30. Mai 1909 geborene "Benny" sogar zum Haupternährer der Familie auf und wird mit 14 Jahren als jüngstes Mitglied in die US-Musikergewerkschaft aufgenommen. Nach einigen Lehrjahren im Ben-Pollack-Orchester, einer der führenden Jazz-Bands in Chicago, zieht es Benny Goodman ins brodelnde New York. Dort wird dem 20-Jährigen die musikalische Leitung der Radio-Show "Let's dance" angeboten, mit der er zum ersten Mal landesweite Popularität erzielen kann. Wie elektrisiert reagieren Millionen junger Menschen in den grauen Jahren der großen Wirtschaftskrise auf den Swing, diesen neuen, fröhlich leichten Jazz-Stil aus Harlem, der nun überall zu hören ist. Und Benny Goodman avanciert, neben Größen wie Louis Armstrong, Duke Ellington und Fletcher Henderson, mit seiner eigenen Bigband zum "King of Swing".
Im Jahr 1935 - das Magazin "Metronome" hat Goodmans Orchester gerade zur besten Bigband des Jahres ernannt - gründet der Star an der Klarinette zusammen mit Schlagzeuger Gene Krupa und dem schwarzen Pianisten Teddy Wilson ein aufsehenerregendes Swing-Trio. Als erster weißer Bandleader durchbricht Benny Goodman die ungeschriebenen Gesetze der Rassentrennung und tritt öffentlich zusammen mit Farbigen auf. Kurz darauf komplettiert der ebenfalls schwarze Vibraphonist Lionel Hampton das erfolgreiche Trio zum Quartett. Zu Weltruhm kommen diese vier Topstars des Swing, als sie im Januar 1938 als erste Jazz-Band überhaupt in New Yorks ehrwürdiger Carnegie Hall gastieren. Das Publikum in Abendkleid und Smoking rastet schier aus; zum ersten Mal wird in den Gängen dieses Tempels der klassischen Musik wild getanzt. "Benny Goodman kam, sah - und legte ein goldenes Ei", schreibt der Kritiker der New York Times über jenes Konzert, das heute als eines der denkwürdigsten der Jazz-Geschichte gilt.
Nach dem legendären Auftritt in der Carnegie Hall und seiner Heirat mit der wohlhabenden Alice wird es etwas ruhiger um den inzwischen 32-jährigen Goodman. Der ehrgeizige Einwanderersohn steigt in New Yorks Upper Class auf, spielt Golf, wird Kunstsammler und entwickelt sich musikalisch zum unerbittlichen, von Kollegen gefürchteten Perfektionisten. Mit 40 Jahren nimmt er noch einmal klassischen Unterricht, um auch Mozart, Debussy und Brahms meistern zu können. Nach dem weltweiten Erfolg des Films "The Benny Goodman Story" (1956) schickt das US-Außenministerium den Star samt Orchester auf Goodwill-Tour um die Welt. Der "King of Swing " spielt in Thailand mit König Bhumibol, im Kreml vor Nikita Chruschtschow und diniert mit den Kennedys im Weißen Haus. Auf die Treue seiner Fans kann sich Benny Goodman überall auf dem Globus verlassen. In den 70er Jahren absolviert er noch rund 100 Konzerte - auch in der Bundesrepublik, wo er sich 1981 in Köln mit einem Auftritt in Alfred Bioleks "Bios Bahnhof" vom deutschen Publikum verabschiedet. Fünf Jahre später, am 13. Juni 1986, stirbt Benjamin "Benny" Goodman, mit der Klarinette im Arm, in seinem New Yorker Apartment an einem Herzinfarkt.
Stand: 30.05.09