Seinen Durchbruch hat Volksschauspieler und Theaterdirektor Willy Millowitsch am 27. Oktober 1953: Weil eine geplante Sportübertragung ausfällt, sendet der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) den Militärschwank "Der Etappenhase" mit Millowitsch in der Hauptrolle. Die Übertragung aus dem Millowitsch-Theater ist die erste Live-Sendung von einer deutschen Bühne. Die Meinungen darüber sind geteilt. NWDR-Generaldirektor Adolf Grimme nennt das Mundart-Stück "eine Kulturschande". Doch das Publikum ist begeistert: "Das Volk hat es anders gewollt und auch anders entschieden", erinnert sich Millowitsch. Die Übertragungen werden fortgesetzt, auch mit anderen Stücken. 1962 schafft "Tante Jutta aus Kalkutta" eine Einschaltquote von 88 Prozent. In den folgenden Jahrzehnten strahlt der NWDR-Nachfolger WDR regelmäßig Millowitschs Inszenierungen aus.
Willy Millowitsch, geboren am 8. Januar 1909 in Köln, steht in einer Familientradition. Sein Ururgroßvater wird 1796 als Moritatensänger in der Kölner Stadtchronik erwähnt. Später führt die Familie ein Puppentheater. Millowitschs Großvater macht 1896 daraus eine mundartliche Volksbühne. Dort sammelt Millowitsch seine ersten Theatererfahrungen: als Sechsjähriger in der Rolle eines Heinzelmännchens. 1923 verlässt er die Schule ohne Abschluss und spielt ab dem 14. Lebensjahr Theater - als Autodidakt. 1940 übernimmt Millowitsch das Theater von seinem Vater Peter und spielt während des Zweiten Weltkriegs mit seiner Bühne an der Front. "Im Auftrag der Partei habe ich jeden Tag woanders gespielt", erinnert er sich später. "Holland, Belgien, Frankreich und in Russland." Nach Kriegsende ist das Millowitsch-Theater die erste Bühne, die in Köln wieder bespielt wird. 1945 hat der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer ( CDU ) "Avis jejeben" und so dafür gesorgt, dass die Instandsetzung vorangeht: "Und bauen Se so schnell wie möglich, die Leute wollen was zu lachen haben."
Millowitsch, der zum Kölner Ehrenbürger ernannt wird und dem die Stadt zu Lebzeiten ein bronzenes Denkmal errichtet, leitet sein Theater als Patriarch. Das habe in der Familie zu Querelen geführt, sagen seine vier Kinder später. So soll sein einziger Sohn Peter beruflich die Familientradition weiterführen, aber nicht mitbestimmen: "Ich mag meinen Sohn nicht, wenn er so diktatorisch seinen eigenen Willen" durchsetzt, beklagt sich Millowitsch. Erst 1993, als den 84-jährigen Millowitsch ein Hüftleiden plagt, teilt er sich mit seinem Sohn die Führung des Theaters. Bis er sich endgültig zurückzieht, vergehen weitere drei Jahre. In dieser Zeit dreht Millowitsch für den WDR den letzten von fünf Kriminalfilmen als Kommissar Klefisch. Tochter Mariele hat derweil längst eine Schauspielkarriere unabhängig vom Familienbetrieb gestartet. Die beiden anderen Töchter sind Oberstudienrätin und Buchhändlerin geworden. Willy Millowitsch stirbt am 20. September 1999 im Alter von 90 Jahren in Köln an Herzversagen. Als zweiter Laie nach Adenauer wird er im Kölner Dom aufgebahrt - eine Ehre, die üblicherweise Bischöfen und Kardinälen vorbehalten ist.
Stand: 08.01.09