Stichtag

30. Juni 2009 - Vor 180 Jahren: Erste Rheinische Missionare nach Südafrika

"Geliebte Brüder! Ihr wollt den Namen Jesu Christi über das weite Meer hinübertragen an den Ort, wo Finsternis und Todesschatten lagern." Diese Worte werden am 30. Juni 1829 an vier Männer in einem evangelischen Gottesdienst in Barmen gerichtet. Aus dieser Hochburg des Protestantismus an der Wupper soll den "armen Heiden" in Südafrika das Evangelium gebracht werden. Nicht allein wegen der Hautfarbe der Bewohner gilt Afrika den europäischen Christen im 19. Jahrhundert als dunkler Kontinent. Sie sehen in den Afrikanern Nachkommen Noahs - allerdings von dessen Sohn Ham, der wegen ungebührlichen Verhaltens seinem Vater gegenüber von Gott verflucht wurde. Daher stammt die Vorstellung, erklärt Historiker Horst Gründer von der Universität Münster, dass Afrika von Aberglauben und Immoralität besessen sei und durch das Christentum geheilt werden müsse. In England, den Niederlanden und Frankreich werden Missionsgesellschaften gegründet. Seit September 1828 existiert die Rheinische Missionsgesellschaft (RMG).

Die Missionare Theobald von Wurmb, Johann Leipoldt, Gustav Zahn und Daniel Lückhoff verlassen nach dem "Aussendungsgottesdienst" Barmen und fahren mit dem Schiff über den Atlantik zum Kap der Guten Hoffnung, dem heutigen Kapstadt. Am 1. Januar 1830 wird in Südafrika die "Station Wupperthal" als erste Missionsstation der RMG gegründet. Leipoldt notiert die ersten Eindrücke: "Die Armut bei diesen armen Heiden ist groß, denn Arbeit, womit sie sich etwas hätten verdienen können, ist ihnen völlig unbekannt." Evangelische wie katholische Missionare stören sich im 19. Jahrhundert an der angeblichen Faulheit der Einheimischen. "Die Hottentotten und Bastards wissen nichts anzugreifen, man muss ihnen immer vorarbeiten", so Leipoldt, der bereits in seinen ersten Berichten die abschätzigen Bezeichnungen der niederländischen Siedler, der Buren, für die Afrikaner übernimmt. "Kaffer" nennen die Missionare das Volk der Xosa im östlichen Teil Südafrikas, als "Hottentotten" bezeichnen sie die Nama im heutigen Namibia.

In der afrikanischen Geschichte spielen Missionare die Rolle der Türöffner für die Kolonialisten. "Zunächst einmal gingen sie in das Land, stellten Kontakte her, lernten die Sprache der Einheimischen, gewöhnten sich an deren Lebensrhythmus und waren dann für die später kommenden Händler und Siedler Anlaufstation", erklärt Kolonialismusforscher Gründer. "Ein Weißer lässt dich zum Beten auf die Knie sinken, während der andere dein Land stiehlt", heißt ein afrikanisches Sprichwort. Immerhin kritisieren die Rheinischen Missionare das Herrschaftsgebaren anderer Weißen - allerdings mit abwertenden Worten: "Die Hottentotten waren eben kein sehr sauberes, fleißiges und kluges Volk. Aber sie waren doch die rechtmäßigen Besitzer des Landes. Die christlichen Völker Europas aber haben nie danach gefragt, ob sie ein Recht auf fremdes Land jenseits des Meeres hätten, sondern sie haben es ohne viel Umstände genommen, als müsste es so sein." Besonders niederträchtig sei das Verhalten der Holländer: "Die Hottentotten erschienen ihnen so wenig menschenähnlich, dass sie sich kein Gewissen daraus machten, sie nicht besser zu behandeln als die Affen."Die Missionare Leipoldt, Zahn und Lückhoff bleiben ihr Leben lang in Südafrika, wo sie hochbetagt sterben. Theobald von Wurmb lässt sich von seiner Frau, die mitgereist war, scheiden, wird von der RMG entlassen und zieht nach Amerika. Dort verliert sich seine Spur. Inzwischen ist die RMG in der Vereinigten Evangelischen Mission aufgegangen - einer Entwicklungshilfe-Organisation mit Sitz in Wuppertal.

Stand: 30.06.09